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Gewänder mehrerer Gestalten unserer Gemälde wurden aus Blatt-
gold geschnittene blätterartige Verzierungen aufgeklebt, die im
Verlaufe der Zeit ohne Ausnahme abgefallen und verloren ge-
gangen sind. Es erhebt sich die Frage, wie diese Verzierungen,
die wir in Siebenbürgen nirgends beobachten können, entstanden
sind. Da sie ohne Rücksicht auf die Faltengebung der Gewänder
angebracht wurden, sind sie kaum auf die Hand des Künstlers
zurückzuführen. Vielleicht darf man annehmen, daß diese Gold-
blätter spätere Stiftungen der Wallfahrer sind. Wie aus der
großen Zahl der eingekratzten Inschriften auf den Wandgemälden
der Kirche hervorgeht, war die Malmkroger Kirche ein aus allen
Teilen des Landes stark besuchter Wallfahrtsort. Noch gegen-
wärtig wird alljährlich von den katholischen Gläubigen am Tag
der hl. Portiunkula eine Wallfahrt nach Malmkrog unternommen,
deren Ziel freilich nicht mehr die jetzt evangelische Kirche, son-
dern die kleine katholische Kapelle in der Mitte des Dorfes bildet.
Daß Heiligenbilder auch sonst mit Weihgeschenken geschmückt
werden, ist eine bekannte Tatsache, die keines weiteren Beweises
bedarf.
Ein besonderes Interesse beansprucht die Tracht der einzelnen
Gestalten auf den Gemälden unseres Altars. Bis auf Einzelheiten
finden sich Schnitt und Form der Gewänder auf dem im
Jahre 1445 vollendeten Wandgemälde des Johannes von Rosenau
in der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche wieder.
Der ärmellose Schultermantel der Frauen, aus dem sich der „krause
Rock“ der sächsischen Bäuerinnen entwickelte und der sich bis auf
den heutigen Tag erhalten hat, das ebenfalls in analoger Form
auch gegenwärtig noch gebräuchliche weiße Kopftuch („Knüpf-
tuch“), die schlappen Stiefel der Hirten auf der Szene der Geburt,
die Sendelhaube Josephs, des Nährvaters, ebenso die Haartracht
sind für die allgemeine deutsche Tracht des 15. Jahrhunderts so
charakteristisch, daß man unter Beseitigung aller anderen Rück-
sichten in dem Altar das Werk eines aus den deutschen Ge-
bieten der Kunst zugewanderten Meisters erblicken muß. Wie
 
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