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Muzeum Narodowe <Breslau> [Hrsg.]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Hrsg.]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 3.1965

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Rozprawy
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Lemper, Ernst-Heinz: Kaplica Świętego Krzyża i Święty Grób w Görlitz: przyczynek do symboliki architektury i ikonologii późnego średniowiecza
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https://doi.org/10.11588/diglit.13792#0134
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ERNST-HEINZ LEMPER

brannten politischen Streit auf die Spitze getrieben
und damit seinen Vater, den amtierenden Biirger-
meister Urban Emerich, ais Reprasentanten der An-
hanger des Ungarnkonigs Matthias Cornvinus mit der
Kirche in Konflikt gebracht hatte. Die Gegenpartei
wurde durch die von Georg Emerich beleidigte Fa-
milie Horschel angefiihrt, die im Lager der Anhanger
des „Ketzerkonigs" Georg Podjebrad stand. Diese Par-
tei beabsichtigte 1467 eine Revolte, die jedoch vorzei-
tig entdeckt, mit einem blutigen Sieg des Emerichs
endete. Georg Emerich besiegelte diesen Triumph, der
seine politische Macht in der Stadt begriindete, mit
der Stiftung des Hl. Grabes, das daher ais Sieges-
denkmal der „Rechtglaubigen" iiber die „Ketzer" an-
gesehen werden kann. Die Urkunden lassen seit 1476
Vorbereitungen zum Bau erkennen, erwahnen aber
bis zu dessen AbschluB 1504 nur die Kreuzkapelle.
Die Epitaphinschrift fur Georg Emerich von 1578
nennt ihn ais Stifter der gesamten Anlage. Die Ur-
kunden weisen jedoch nach, daB der Rat der Stadt
Bauherr der Kreuzkapelle war. Emerich hat dagegen
ais private Griindung die Grabkapelle hinzugefiigt,
die daher in den Stadturkunden nicht erwahnt ist.
Die Bezeichnung „Hl. Grab" ubertrug sich nach der
Reformation auf die gesamte Anlage der drei Kapel-
len und des Gartens, weil nach Aufhóren der Gottes-
dienste an dieser Stelle die Familie Emerich fur die
Unterhaltung aufkommen muBte. Sie betrachtete da-
her bald die Kreuzkapelle ais Mausoleum des Stif-
ters der Grabkapelle.

Der Bau der Kreuzkapelle begann nach bischof-
licher Bauerlaubnis von 1480 mit de Unterkapelle, die
nach dem vergleichbaren Teil der Kalvarienstatte in
Jerusalem ais Adamskapelle bezeichnet wird. Fur die
Netzrippengewólbe wurde ein Plan verwendet, der
Ahnlichkeit mit den Seitenschiffgewolben der Krypta
der Peterskirche zu Gorlitz aufweist, in der die Horen
der Leiden Christi seit 1465 gefeiert wurden. Die Ge-
wólbe der Adamskapelle weisen auf bóhmisches Hiit-
tengut. 1487 wird Caspar Aye „parlirer sancte crucis"
genannt. Er war Parlier des Stadtwerkmeisters Tho-
mas Neukirch, der 1490 starb. Mit dem ihm nach-
folgenden Conrad Pfliiger schlieBt der Rat 1490 einen
Vertrag, in dem die Kapelle zum Hl. Kreuz beriick-
sichtigt wird. Auf Pfliiger geht mit Sicherheit der
Plan zur Oberkapelle, der Golgathakapelle zuriick,
die in der Bauanalyse Abweichungen gegeniiber der
Adamskapelle erkennen lafit. 1497 wird mit dem Par-
lier Pfliigers, Blasius Bórer, ein Bauvertrag wegen
Vollendung der Kreuzkapelle abgeschlossen. Eine Al-
tarstiftung von 1486 fur einen Altar St. Mariae und
Johannis Evang. deutet auf Fertigstellung der Adams-

kapelle, dereń Wolbung vielleicht erst um 1490 er-
folgte, ais der Altar bereits bestand, die Messen aber
eine Unterbrechung erfuhren.

Die Adamskapelle entspricht dem Vorbild in der
Grabeskirche zu Jerusalem, wo der Felsspalt gezeigt
wird, der in der Gorlitzer Nachbildung durch einen
kiinstlich geschaffenen Mauerspalt in der Ostwand
symbolisiert wird. Durch ihn soli das Blut Christi
auf das Grab Adams geflossen sein. — Die Golgatha-
kapelle zeigt die drei Pfostenlocher der drei Kre-
uze. Rechts von dem mittleren befindet sich eine
Rinne, die mit dem kiinstlichen Spalt darunter in
Verbindung steht. Uber dem Kreuzesort des guten
Schachers wurde der Altartisch aufgestellt, auf dem
offenbar die Altarweihe von 1504 zu beziehen ist.

Die Salbungskapelle besitzt eine Vespergruppe aus
Sandstein, die dem 1488 bis 1503 in Gorlitz tatigen
Hans Olmiitzer zuzuschreiben ist, wenn auch keine
ganz eigenhandige Arbeit vorliegen durfte. Sie ist
auBerdem durch spatere Veranderungen entstellt. Die
Barockzeit interpretierte sie namlich ais Salbungs-
gruppe. Ebenso wurde in protestantischer Zeit die
Adamskapelle ais Haus des Kaiphas, die Golgatha-
kapelle ais Abendmahlssaal umgedeutet.

Die Grabkapelle ist die genaueste Nachbildung
des Grabes Christi, die sich von dessen Bauzustand
vor dem Umbau von 1555 nachweisen laBt. Vergleiche
mit ahnlichen Kopien in Eichstatt und Niirnberg
weisen darauf hin, daB in der zweiten Halfte des 15.
Jahrhuderts ein Baumodul des Originals ohne abso-
lute MaBe existierte. Nachbildungen des Gorlitzer
Hl. Grabes konnen in Sagan (vollendet 1607) und in
Ujasdów bei Warschau (1731) nachgewiesen werden.

Unter den landschaftlichen Kalvarienbergen und
Kreuzwegen der Spatgotik nimmt das Hl. Grab zu
Gorlitz ais genaueste Nachbildung der Passionsstatten
von Jerusalem einen bedeutenden Platz ein. Anre-
gungen dazu kamen aus Westeuropa. Auch die Kopien
des Grabes Christi gelangten iiber West- und Mittel-
deutschland nach Gorlitz, wo die Entwicklung mit
der Reformation einstweilen abschlieBt. In der Ge-
genreformation gibt Gorlitz das Vorbild fur schle-
sische Nachbildungen der Grabkapelle und in sach-
sischer Zeit fur Ujasdów. Im 18. Jhd. wirkten vor
allem ósterreichische Kalvarienberge auf Schlesien
ein. Somit steht die Gorlitzer Anlage am Ende einer
spatmittelalterlichen Gruppe derartiger Nachbildun-
gen des Westens und am Anfang einer erst seit Ende
des 16. Jahrhunderts zu verfolgenden des Ostens, die
jedoch gelegentlich auf die in Gorlitz befolgte Bau-
weise zuriickgriff.
 
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