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Muzeum Narodowe <Breslau> [Hrsg.]; Muzeum Śla̜skie <Breslau> [Hrsg.]
Roczniki Sztuki Śląskiej — 12.1979

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Rozprawy
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Harasimowicz, Jan: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku reformacji
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https://doi.org/10.11588/diglit.13738#0045
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27

In den schlesischen Kirchen, die von den Lutheranern
ubernommen wurden, wurden die mittelalterliche Altare
grundsatzlich geduldet (der einzige bedeutende Bildersturmakt
fand 1539 in Żagań statt). In der zweiten Halfte des 16. Jh.
begann man neue Fliigelaltare zu errichten. Ganzlich bemalte
Triptychen waren in Schlesien nicht beliebt, vielmehr wurde
die mittelalterliche Tradition eines geschnitzten Schpnkes mit
bemalten Flugeln fortgesetzt (der Silberaltar im Dom zu Wroc-
ław, das protestantische Triptychon aus Masłów).
Von den erhaltenen architektonischen Steinaltaren sind
die Altare in Lewin Brzeski und Ołdrzychów am altesten.
Sie vertreten einen Typ, der „Ubergangstyp" genannt wird,
und der die neuzeitliche Adikula mit der Triptychon-Struktur
vereinigt. Die viersauligen Adikula sind im Bischof-Gerst-
mann-Altar in Nysa (1584) und in Paczków eingefuhrt worden.
Die zweisauligen Adikula kommen in den protestantischen
Altaren in Przeworna, Makowice und Żeleźnik und in dem
Bischof-Sitsch-Altar in Nysa (ł612) vor.
Man kann die architektonischen Schnitzaltare in drei Typen
einteilen. Der „Ubergangstyp" wird von den Retabeln in Roz-
locznik, Stypuiów Dolny und Grzędy reprasentiert. Der Typ
einer viersauligen Adikula verbreitet sich im Sudetischen
Vorland — dank Paul Meyner aus Marienburg, dem Schopfer
der Altare in Gryfów (wo Seitenfiiigel beigefiigt wurden) und
Ciechanowice, ais auch — dank seiner Werkstatt, aus der u. a.
die Retabel in .laczków, Wiadrów und Mysłów hervorgingen.
Diesen Typ vertreten die Altare in Dzierżoniów, Żagań und
das Retabel aus Pogwizdów, wie auch die katholischen ober-
schlesichen Altare. Den Typ einer einfachen Adikula bieten
folgenden Altare: der Epitaphaltar in Czernica und die Altare
in Gościszów, Lewin Brzeski, Szydłowiec, Żórawina und in
anderen Ortschaften Nieder- und Oberschlesien. Im allge-
meinen stehen die schlesichen Altare der Reformationszeit —
in Hinsicht auf ihre Komposition — den Retabeln der provin-
zionellen Bildhauer- und Schnitzschulen Sachsens und GroB-
polens am nachsten. Allein die friihen Retabel weisen Zu-
sammenhange mit derzeitiger Dresdener Skulptur auf, wahrend
die spiiten oberschlesischen Holzretabel unter dem EinfluB
der Krakauer Schnitzerei entstanden. In Hinsicht auf ihren
kunstlerischen Wert bleiben die schlesischen Altare auf einem
etwa gleichen Niveau, wie das entsprechende Schaffen in den
benachbarten Landem, und manche Werke (Steinaltare, Holz-
altare aus Czernica, Pogwizdów, Grzędy, Żagań) konnen
wohl mit recht ais gute Beispiele des „internationalen nordli-
chen Manierismus" angesehen werden.
Das Ideenprogramm der schlesischen Altare der Reforma-
tionszeit bildete sich in Oppositon zu dem spatgotischen
Marienprogramm, zum teil auch in Opposition zum tradi-
tionellen Passionsprogramm heraus. Das Polemische in der
Atmosphare der zwanziger Jahre des 16. Jh. kam in die Ideen-
programme der Retabel allein in zwei Altaren aus Lubin. Es
entstanden hier nicht polemisch-dogmatische Werke von einer
solchen Argumentationsstarke, wie es in den Altaren der
Cranachs der Fali ist. Die erst seit den siebziger Jahren ent-
stehenden, schlesischen protestantischen Altare kennzeichnen
sich durch ein orthodox lutheranisches Ideenprogramm. Dieses
verbindet sich mit dem Sakrament der Kommunion, und ais
Verkunder des Evangeliums iibt es eine didaktisch-morali-
sierende Funktion aus. In der Predella tritt gewóhnlich die
Szene des letzten Abendmahls auf (den Anweisungen Luthers
zufolge), im Mittelteil — die Kreuzigung Christi, und oberhalb

des Mittelteils — die Auferstehung Christi, eventuell noch die
Himmelfahrt. Hier tauchen auch die Darstellungen des Pas-
sionzyklus, ais auch der Heiligen Dreifaltigkeit und des Jungsten
Gerichts auf. Nur in dem Altar in Czernica wurde ein umfang-
reiches typologisches Programm aufgestellt, das das Motiv
der Erbsiinde hervorhebt (moglicherweise ein Widerhall der
Polemik mit der Theologie von Flacius). Auf den schlesischen,
protestantischen Altaren kommen zahlreiche biblische Gestal-
ten zum Vorschein: Evangelisten, Propheten, Apostel, symbo-
lische Tiere (Pelikan und Phoenix), Personifikationen der Tu-
genden, Engel. Oft kommen hier die Wappen der adligen
Stifter vor, ais auch viele biblische Inskriptionen (z. B. der
Mittelteil des Triptychons aus Masłów, fik das ein nieder-
landischer Stich das Vorbild abgab). Die Stiftungsinskription
auf dem Altar in Lewin Brzeski (1613) enthalt die Verdammung
der. kalvinischen Bilderstiirmer, sie bringt die lutheranischo
Orthodoxie zum Ausdruck, die sich in Schlesien durch starkę
Yerbindungen mit der łokalen mittelalterlichen Tradition
kennenzeicb.net.
Die provinzionellen katholischen Altare bewahren die her-
kómmliche mittelalterliche Ikonographie bis zum Anfang
des 17. Jh. Dagegen der Altar des Bischofs Gerstmann betont
in seinem Programm, das scheinbar an das protestantische
angenahert ist, die Ideologie des „kompromiBbereiten Katho-
lizismus" aus der Zeit Maximilians II.; dies steht in einem
engen Zusammenhang mit der Suche nach den allgemeinchrist-
lichen „fundamentalen Glaubensgesetzen". Seit dem Ende des
16. Jh. werden die Altare immer haufiger zu einem bewuflt
angewendeten Werkzeug der Gegenreformation, wiederbelebt
werden die mittelalterlichen Inhaltsschemen (z. B. der Altar
der Heiligen .Tungfrauen/; aufgenommen wird die Polemik mit
dem Programm der protestantischen Altare, die in dem Retabel
aus Żagań besonders agressiv wird (eine Anregung zum Glau-
benswechsel da die katholische Konfession die einzig rechte
und wahre sei). Im Retabel aus Ostropa drflckt die Szene der
Austreibung aus dem Paradies eine Verdammung der Protes-
tanten aus.
Im allgemeinen dienten die katholischen Altare, die von
den Breslauer Bischofen gestiftet wurden, nicht nur der Gegen-
reformationspropaganda. Vor allen Dingen sollten sie die ver-
storbenen Pralaten ins Gedachtnis zuriickrufen und ihnen
Gottes Gnaden eintragen. Die Propagandafunktion sollten
die Altare aus Żagań, Ostropa und das Baptisterium in Nysa
ausiiben. Diese Funktion tauchte in der zweiten Halfte des
17. Jh. an manchen Altaren der katholischen Kirchen deutlich
auf, besonders in diesen Stadten, wo die evangelische Be-
volkerung iiberwog.
Das Ideenprogramm der lutheranischen Altare war eine
Manifestation der fur Schlesien charakteristischen Idee der
„legalen rcligiosen Opposition". Es pladierte fur den gesell-
schaftlichen, politischen und religiósen „Status quo". Wenn
es auch eine polemische Nuance mitbrachte, so eher gegeniiber
dem Kalvinismus ais dem Katholizismus. Die lutheranischen
Altare waren ein „sichtbarcs Wort Gottes", sie verkiindeten
die fundamentalen Gesetze des christlichen Glaubens. Im
Gegensatz zu den Epitaphen und Kanzeln wurde das Programm
der Altare in Schlesien nicht zu einer Expression der biblischen
Einbildungskraft der Protestantem
Ubersetzt von M. Adamski
 
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