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Ruskin, John
Ausgewählte Werke in vollständiger Übersetzung (Band 13): Moderne Maler (Band 3): von verschiedenen Dingen — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.4915#0104
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ÜBER DAS WAHRE IDEAL: ZWEITENS DAS DER
NATURALISTEN

§ 1. Wir kommen nun zur Betrachtung jenes zentralen
und höchsten Zweiges der idealen Kunst, der sich ganz
schlicht mit den Dingen befasst, so wie sie sind, und in
ihnen allen das Gute gleichmäßig wie auch das Böse nimmt.
Die Frage stellt sich darum also: inwiefern eine Kunst, die
die Dinge ganz einfach so, wie sie sind, wiedergibt, über-
haupt ideal genannt werden kann. Inwiefern sie jener An-
forderung entspricht, die, wie wir in Kapitel III, § 24 festge-
stellt haben, als bindend für alle große Kunst gelten muss,
nämlich erfindend und ein Erzeugnis der schaffenden Ein-
bildungskraft zu sein. Sie entspricht ihr in erster Linie
durch jene Fähigkeit, anzuordnen, die deutlich zu schildern
ich mich mit vieler Mühe und großem Aufwand an Zeit in
dem Kapitel über verbindende Einbildungskraft im zweiten
Bande bemüht habe. Das heißt, indem sie die Schwächen,
die Fehler und die Verkehrtheiten aller Dinge, die ihr sicht-
bar sind, belässt, placiert sie sie so und stellt derart eine
Übereinstimmung zwischen ihnen her, dass sie ein edles
Ganze bilden und dass die Unvollkommenheit jedes ein-
zelnen Teiles nicht nur unschädlich, sondern sogar durch-
aus als wesentlich erscheint, und trotzdem das Gute jedes
einzelnen Teiles vollständig frei und unbehindert zu seiner
Entfaltung gelangt.

§ 2. Dieses Vorgehen des wahren Idealismus erstreckt
sich von den unbedeutendsten Dingen bis zu den aller-
größten. Zum Beispiel werden der falsche Idealist und
 
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