und bewusste Kenntniss per'spectivischer Wirkung, welche die alten Künstler in bewunderungswürdigem Grade
besassen. Bei einer kleinen Statuette füllt der Grund zu einer solchen unnaturalistischen Anordnung weg;
unsere Figur zeigt sie aber in so entschiedener Weise, dass man daraus schliessen darf, der Künstler habe
ein grosses zur erhöhten Aufstellung bestimmtes Bildwerk vor Augen gehabt.
In der gcsammten Erscheinung, besonders in der Haltung und dem majestätischen Haupte drückt sich
eine grossartige Würde aus; bei längerer Betrachtung will es «lern Beschauer bedünken, das kleine Bildwerk
wachse vor seinen Augen und nehme colossale Dimensionen an, — eine Wirkung, welche insbesondere Werken
eigen ist. die eine grossartige Conception durch sehr einfache Mittel zum Ausdruck bringen. Die empor-
gehobene Linke hielt das Scepter hoch gefasst, die halbvorgestreckte Rechte den Donnerkeil, was aus der
Haltung der Hand hervorgeht mit ausgestrecktem Zeigefinger, während die anderen Finger gebogen sind, und
die spitz zulaufende Abfeilung am Unterarme anzeigt. Der Gott hielt den Blitz auf der Hand ruhend, als
Deus propitius, nicht zum Schleudern gefasst; gegenwärtig fehlt er bis auf formlose Reste, welche die Hand
ausfüllen. Der entblösste Oberleib ist in breiten Massen ohne kleinliches Detail und in den edelsten Proportionen
mit grossem Verständnisse behandelt; der sanft gebogene Rücken, der so die Schultern entlastet, der vorgestellte
linke Fuss, während sich der rechte mit der Spitze leicht auf den niedrigen Stufen oder Schemel des Thrones
stützte, entsprechen dem Ausdruck behaglicher olympischer Ruhe. Von jeder Seite betrachtet stellt sich die
Gestalt in ungemein schönen fliessenden Linien dar, da alle unangenehmen Uebersclmeidungen sorgfältig
vermieden erscheinen. Hierin und in dem grandiosen Hauptcharakter bekundet sich die ausserordentliche Mei-
sterschaft der Composition.
Das Haupt ist gerade geii'en den Beschauer gewendet und zeigt das erhabene Zeus-Ideal, welches wir
an den Werken der besten Zeit bewundern, in seinen charakteristischen Zügen ausgeprägt. Die gedrungene, steile
Stirne, die vortretenden, breiten Augenbrauenbogen, das weit geöffnete, wie siegreich und beherrschend fernhin
blickende Auge, an dem hier, wie gewöhnlich bei den kleinen Bronzen, die Sterne markirt sind, der etwas offene
Mund mit kräftigen Lippen, umrahmt von dem in regelmässigen Locken abwärts gebogenen Lippenbart, entsprechen
den Vorstellungen und Formen, wie sie von Phidias ausgebildet wurden und verleihen dem Kopfe den Ausdruck
des Gewaltigen. Das Haar bricht am Scheitel gleichsam gewaltsam hervor und fällt in reichen Locken, die
den Kopf wie ein Kranz vollständig umgeben, herab, während es am Hinterhaupte glatt anliegt. Die vorderen
schön und ziemlich svmmetrisch a-elockten Partien setzen sich daseien so scharf ab, als wäre das Haar hinter
ihnen von einer Binde zusammen gehalten, was jedoch nicht der Fall ist; vielleicht war ein Lorbeerkranz aus
anderem Materiale, etwa Silber angebracht, was nach einigen Spuren am Scheitel zu vermuthen ist. Der kurz
gelockte, aber weit am Halse herabreichende Bart, der ein mächtiges Kinn bedeckt, trägt zum Ausdruck der
Kraft und stolzen Männlichkeit bei.
Auch die Behandlung des Gew7andes beweist, dass die Figur einem Sitzbikle in grossem Massstabe
nachgebildet ist. Das Himation aus feinem, weichem Stoffe ist über die Beine geschlagen, die es vollständig
einhüllt; ein Ende desselben ist in reichen Falten über den Rücken gezogen und auf der linken Schulter
umgeschlagen1), das andere, über den Schooss gelegt, fällt zwischen den Knieen herab. Die Durchführung der
Gewandung zeugt von grosser Meisterschaft; der Faltenwurf, ebenso reich als naturgemäss, erscheint bis ins
kleinste Detail vollständig durch die Bewegung motivirt, ohne den Fluss der durchscheinenden Formen zu
stören, dabei doch edel stylisirt und in den regelmässigen, wellenförmigen Umschlägen der Säume sogar noch
etwas an die archaische Behandlung erinnernd. Für eine Figur von so geringen Dimensionen ist er überreich,
mit kleinen Motiven fast überladen, was sich aber eben aus der Nachbildung eines grossen Originales erklärt.
Die schön geformten Füsse decken zum Theil schuhartige Hypodemata, welche die Zehen freilassen, rückwärts,
die Fersen bedeckend, bis an die Knöchel reichen und auf dem Rist gebunden sind, — eine bei Zeusfiguren
häufige Fussbekleidung. Der Thron, der wahrscheinlich aus Holz bestand, nmss niedrig, ohne Rücklehne
gewesen sein, was aus der sorgfältigen Ausführung des Gewandes auf dem Rücken hervorgeht.
In Bezug auf künstlerischen Gehalt ist unsere Bronze dem sein stark restaurirten Jupiter Verospi des
Vatikans, der auch als Nachbildung des olympischen Oolosses angesehen wird2), weit überlegen, der fast gleich
grossen (20 Centim. hohen) der Sammlung Denon (Pourtales) wohl nicht in der Detailausführung, aber jedenfalls
in der Grossartigkeit der Anlage. Die letztere zeigt einige Verschiedenheiten: Zeus hält das Scepter in der
') Museo Pio-Clementino, I, Tav. I.
2) Zu vergleichen sind noch die schöne, ganz ähnliche Statue bei Smith Barry in Marbrook-Hall, die zu Lyon gefundene
(Annali dellTnstituto di corresp. archeol. XIII, Tav. d'agg. D, p. 52), die der Sammlung Paceti (Guattani 1805, T. 11), die capito-
linische Ära archaistischen Styles (Righetti, Mus. del Carapidoglio 1, 34) und die prachtvolle Statue in Louvre (Chirac, III, PI. 311,
n" 067). Eine 10 Centimetres grosse Bronze in Neapel (Bronzi d'Ercol. II, p. 347) ist derb und roh in der Ausführung.
v. Sacken. Die antiken Bronzen des k. k. Münz- und Antiken-Cabinetes.
besassen. Bei einer kleinen Statuette füllt der Grund zu einer solchen unnaturalistischen Anordnung weg;
unsere Figur zeigt sie aber in so entschiedener Weise, dass man daraus schliessen darf, der Künstler habe
ein grosses zur erhöhten Aufstellung bestimmtes Bildwerk vor Augen gehabt.
In der gcsammten Erscheinung, besonders in der Haltung und dem majestätischen Haupte drückt sich
eine grossartige Würde aus; bei längerer Betrachtung will es «lern Beschauer bedünken, das kleine Bildwerk
wachse vor seinen Augen und nehme colossale Dimensionen an, — eine Wirkung, welche insbesondere Werken
eigen ist. die eine grossartige Conception durch sehr einfache Mittel zum Ausdruck bringen. Die empor-
gehobene Linke hielt das Scepter hoch gefasst, die halbvorgestreckte Rechte den Donnerkeil, was aus der
Haltung der Hand hervorgeht mit ausgestrecktem Zeigefinger, während die anderen Finger gebogen sind, und
die spitz zulaufende Abfeilung am Unterarme anzeigt. Der Gott hielt den Blitz auf der Hand ruhend, als
Deus propitius, nicht zum Schleudern gefasst; gegenwärtig fehlt er bis auf formlose Reste, welche die Hand
ausfüllen. Der entblösste Oberleib ist in breiten Massen ohne kleinliches Detail und in den edelsten Proportionen
mit grossem Verständnisse behandelt; der sanft gebogene Rücken, der so die Schultern entlastet, der vorgestellte
linke Fuss, während sich der rechte mit der Spitze leicht auf den niedrigen Stufen oder Schemel des Thrones
stützte, entsprechen dem Ausdruck behaglicher olympischer Ruhe. Von jeder Seite betrachtet stellt sich die
Gestalt in ungemein schönen fliessenden Linien dar, da alle unangenehmen Uebersclmeidungen sorgfältig
vermieden erscheinen. Hierin und in dem grandiosen Hauptcharakter bekundet sich die ausserordentliche Mei-
sterschaft der Composition.
Das Haupt ist gerade geii'en den Beschauer gewendet und zeigt das erhabene Zeus-Ideal, welches wir
an den Werken der besten Zeit bewundern, in seinen charakteristischen Zügen ausgeprägt. Die gedrungene, steile
Stirne, die vortretenden, breiten Augenbrauenbogen, das weit geöffnete, wie siegreich und beherrschend fernhin
blickende Auge, an dem hier, wie gewöhnlich bei den kleinen Bronzen, die Sterne markirt sind, der etwas offene
Mund mit kräftigen Lippen, umrahmt von dem in regelmässigen Locken abwärts gebogenen Lippenbart, entsprechen
den Vorstellungen und Formen, wie sie von Phidias ausgebildet wurden und verleihen dem Kopfe den Ausdruck
des Gewaltigen. Das Haar bricht am Scheitel gleichsam gewaltsam hervor und fällt in reichen Locken, die
den Kopf wie ein Kranz vollständig umgeben, herab, während es am Hinterhaupte glatt anliegt. Die vorderen
schön und ziemlich svmmetrisch a-elockten Partien setzen sich daseien so scharf ab, als wäre das Haar hinter
ihnen von einer Binde zusammen gehalten, was jedoch nicht der Fall ist; vielleicht war ein Lorbeerkranz aus
anderem Materiale, etwa Silber angebracht, was nach einigen Spuren am Scheitel zu vermuthen ist. Der kurz
gelockte, aber weit am Halse herabreichende Bart, der ein mächtiges Kinn bedeckt, trägt zum Ausdruck der
Kraft und stolzen Männlichkeit bei.
Auch die Behandlung des Gew7andes beweist, dass die Figur einem Sitzbikle in grossem Massstabe
nachgebildet ist. Das Himation aus feinem, weichem Stoffe ist über die Beine geschlagen, die es vollständig
einhüllt; ein Ende desselben ist in reichen Falten über den Rücken gezogen und auf der linken Schulter
umgeschlagen1), das andere, über den Schooss gelegt, fällt zwischen den Knieen herab. Die Durchführung der
Gewandung zeugt von grosser Meisterschaft; der Faltenwurf, ebenso reich als naturgemäss, erscheint bis ins
kleinste Detail vollständig durch die Bewegung motivirt, ohne den Fluss der durchscheinenden Formen zu
stören, dabei doch edel stylisirt und in den regelmässigen, wellenförmigen Umschlägen der Säume sogar noch
etwas an die archaische Behandlung erinnernd. Für eine Figur von so geringen Dimensionen ist er überreich,
mit kleinen Motiven fast überladen, was sich aber eben aus der Nachbildung eines grossen Originales erklärt.
Die schön geformten Füsse decken zum Theil schuhartige Hypodemata, welche die Zehen freilassen, rückwärts,
die Fersen bedeckend, bis an die Knöchel reichen und auf dem Rist gebunden sind, — eine bei Zeusfiguren
häufige Fussbekleidung. Der Thron, der wahrscheinlich aus Holz bestand, nmss niedrig, ohne Rücklehne
gewesen sein, was aus der sorgfältigen Ausführung des Gewandes auf dem Rücken hervorgeht.
In Bezug auf künstlerischen Gehalt ist unsere Bronze dem sein stark restaurirten Jupiter Verospi des
Vatikans, der auch als Nachbildung des olympischen Oolosses angesehen wird2), weit überlegen, der fast gleich
grossen (20 Centim. hohen) der Sammlung Denon (Pourtales) wohl nicht in der Detailausführung, aber jedenfalls
in der Grossartigkeit der Anlage. Die letztere zeigt einige Verschiedenheiten: Zeus hält das Scepter in der
') Museo Pio-Clementino, I, Tav. I.
2) Zu vergleichen sind noch die schöne, ganz ähnliche Statue bei Smith Barry in Marbrook-Hall, die zu Lyon gefundene
(Annali dellTnstituto di corresp. archeol. XIII, Tav. d'agg. D, p. 52), die der Sammlung Paceti (Guattani 1805, T. 11), die capito-
linische Ära archaistischen Styles (Righetti, Mus. del Carapidoglio 1, 34) und die prachtvolle Statue in Louvre (Chirac, III, PI. 311,
n" 067). Eine 10 Centimetres grosse Bronze in Neapel (Bronzi d'Ercol. II, p. 347) ist derb und roh in der Ausführung.
v. Sacken. Die antiken Bronzen des k. k. Münz- und Antiken-Cabinetes.