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Sacken, Eduard von
Die antiken Bronzen des K.K. Münz- und Antiken-Cabinetes in Wien (Band 1): Die figuralischen Bildwerke classischer Kunst — Wien, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.1790#0006
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A.

GÖTTER.

ZEUS.

Unter den zahlreichen Gestalten des obersten der Götter und Vaters alles Lebens, welche aus dem
Alterthume auf uns gekommen sind, finden sich vornehmlich zwei Hauptmotive vielfach vertreten, nämlich der
in olympischer Ruhe und Majestät thronende Herrscher der Götter- und Menschenwelt, und der wachsame
Beschützer des Völkerwohles, wohl auch dem Frevler Strafe drohend, — nicht auf dem Throne sitzend,
sondern, um den Begriff der Thätigkeit auszudrücken, stehend mit Scepter und Donnerkeil.

Der erstere Gedanke hat bekanntlich in der weltberühmten, chryselephantinen Statue des Phidias seinen
vollendetsten Ausdruck gefunden, und bei der Entschiedenheit, mit welcher sich das gepriesene Werk dem
Nationalbewusstsein einprägte, ist es erklärlich, nicht nur dass eine grosse Anzahl mehr oder weniger gelungener
Nachbildungen desselben entstand, sondern auch, dass sich nicht leicht ein Künstler, der den thronenden
Olympusbeherrscher darstellen wollte, ein völliges Abgehen von dem allgemein gültig festgestellten und aner-
kannten, dem Herzen des Volkes eingelebten Ideale erlauben konnte. Alle derartigen Bildwerke scheinen daher
in einer gewissen Abhängigkeit von jener erhabenen Schöpfung des grössten Bildners aller Zeiten zu stehen
und dürften auf dieselbe als den gemeinschaftlichen Mittelpunkt und Grundtypus zurückzuführen sein. So war
das Standbild, welches Antiochus IV. zu Daphne aufstellte, eine Copie des olympischen Zeus, und der Maler
Euphranor scheint ihn zu seinen Gemälden im Kerameikos ebenfalls copirt zu haben.1)

Von dem Phidias'schen Urbild, wie wir es aus der Beschreibung des Pausanias (V, 11) kennen und
in freilich sein' unvollkommener Abbildung auf Münzen von Elis sehen,2) weichen viele Darstellungen des
olympischen Zeus in Einzelheiten der Anordnung nicht unwesentlich ab, namentlich in Bezug auf das Attribut
und die Haltung des Scepters. Als ersteres erscheint oft in der Rechten statt der Nike der Blitz, so z. B.
bei der kleinen Statue zu Oxford,3) der bekleideten im British Museum, und der schönen, angeblich in Ungarn
gefundenen Bronzefigur, welche, früher in der Sammlung Denon, später in die des Grafen Pourtales überging,
und mit dieser i. J. 1865 verkauft wurde.4)

Von dieser Art ist die treffliche. Taf. III Fig. 2 in Dreiviertelgrösse abgebildete Figur unserer Sammlung,
die wir wohl als eine spätere Nachbildung des berühmten griechischen Nationalwerkes anzusehen haben.

Schon die ganze Anlage bezeugt, dass sie Copie einer grossen Statut; ist; die Oberschenkel sind nämlich
im Verhältniss etwas zu lang und viel abschüssiger gestellt, als es die naturgemässe, bequeme Sitzlage bedingt,
fast als ob sich die Oestalt auf die Küsse gestemmt etwas erheben würde. Diesen Umstand kann man an
vielen antiken Sitzstatuen beobachten: man konnte dadurch die volle Gestalt zeigen und verhinderte, dass bei
einer erhöhten Aufstellung und einem etwas näheren Standpunkte des Beschauers die Knie den Leib zu sehr
deckten und einen unangenehmen Skurz bildeten: das etwas gehobene der Gestalt erschien dann keineswegs
auffallend und gm/, natiugemäss. Diese feine Berechnung gibt einen Beweis für die raihnirte Beobachtung

') K. 0. Müller, Handb. d. Archäol., 3. Aufl. S. 103, 1 und S. 144, 3.

,J) Sestini, Descrizione d'alcune medaglie greeche del niuseo C. 0. Fontana, I, Tav. VI, 1. Vgl. Overbeck, Ueber die
elische Münze und ihr Verhältniss zum Werk des Phidias, in den Ber. d. sächs. Geselkch. d. Wissensch. 1SGG, S. 173, Taf. 1. —
Müller-Wieseler, Denkni. I, Taf. XX, 103.

'■') Chirac, Musee de seulpture, Vol. III, PI. 404, n» G92 A.

4) Ebenda PL 398, n" GGS. Jetzt im British Museum. Vgl. Lippert, Daetyl. I, 17.



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