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gesenkten rechten Hand das Marsupium, die vorgestreckte Linke trug wahrscheinlich den kleinen öaduceus
Die Chlamys ist mit dem gehörigen kunstreichen Schwünge um Schultern und den linken Arm geschlagen,
das pausbackige Apfelgesicht hat den Ausdruck kindischen, schalkhaften Trotzes, der Krauskopf ist geflügelt.
Die Sicherheit des Einherschreitens nach Art der Grossen, im Gegensatze zu den kindlichen Formen, macht
eine hübsche Wirkung. Die Ausführung dieses guten römischen Figurchens ist eine ziemlich sorgfältige. Am
linken Arm befindet sich ein später hinzugefügter doppelter Fing aus Silberdraht geflochten. Der rechte Vor-
fuss fehlt, der linke ist beschädigt.
DIONYSOS ÜXD SEIN GEFOLGE.
Finden wir schon unter den anspruchsvolleren Marmorsculpturen eine erhebliche Anzahl aus diesem
Kreise als heiteren Schmuck der Villen und Gärten, so ist dies in noch grösserem Masse der Fall bei den
kleinen zum Schmucke des Inneren bestimmten Bronzefigürchen. Welcher Gott entspricht auch mehr der
lebensfrohen, auf Genuss bedachten Anschauungsweise der späteren griechischen und römischen Zeit als der
jugendliche Weingott, umgeben von seinem muntern, lärmenden Gefolge, wie er in glänzenden Festen mit
luxuriösen Aufzügen gefeiert wurde, was hätte sich besser zur Zier des Speisesaales geschickt als das Bild
des Beschützers der fröhlichen Gelage und seiner begeisterten Anhänger! Von der tiefen, mystischen Idee,
welche in dem bärtigen, reich bekleideten Bakchos mit langem Haar und von männlichen Zügen die Kraft
des Erdenlebens verkörperte, sind in den meist weit späterer Zeit angehörigen Bronzen nur mehr entferntere
Anklänge zn finden, indem das Wiederaufleben nach dem Absterben, die Falingenesis der Natur, durch einen
schwermtithigen, sinnigen Ausdruck des in jugendlich frischer, verjüngter Gestalt erseheinenden Gottes ange-
deutet wird. Wie der Frühling trotz seiner üppigen Frische das zart besaitete Gemüth häufig melancholisch
stimmt, so mischt sich in dem ausgebildeten Dionysos-Ideale mit jugendlicher Fülle eine träumerische, sehn-
suchtsvolle Stimmung. Wie er in gedankenvoller Buhe hinblickt, repräsentirt er das innerliche Seelenleben im
Bewusstsein frühen Todes, aber auch wiederkehrenden neuen Lebens. Edler Wein, massig genossen, erhebt
das Gemüth durch eine gewisse begeisterte Spannung über die trübe Anschauung des Alltagslebens: dies
prägt sich in der Bildung des Weingottes durch den Zug schwärmerischer Beseligung aus.
Im Wesen mancher Götter sind mancherlei Gegensätze, die in ursprünglich sehr verschiedenen Bildun-
gen zum Ausdrucke kommen, welche aber die Kunst in ihrer Blüthe zu verschmelzen und zu veredeln strebt,
indem sie jede schroffe Ausprägung vermeidet, und die Eigenthümliehkciten nur in feinen Zügen andeutet; in
Dionysos verbindet sie feine, fast weichliche Schönheit mit schwärmerischer Träumerei und einem melancho-
lischen Zuge unbefriedigter Sehnsucht.
Den vollständigen Typus, wie ihn die jüngere attische Schule ausbildete, stellt die herrliche auf Tafel
XX1I1 und XXIV in % Grösse abgebildete, 38 Centim. hohe Statuette dar, die wahrscheinlich eine sacrale
Bedeutung hatte. Sie wird durch kein Symbol charakterisirt. aber das psychische Moment und die Formgebung,
die Verschmelzung des Pathetischen mit vollendeter Anmuth, erhabener Majestät mit süsser Schwärmerei be-
zeichnen sie entschieden als Dionysos. Einfach und natürlich sind hier die verschiedenen Elemente des Wesens
zu einem harmonischen Ganzen vereinigt. Anordnung und Durchbildung sind in dieser brichst ausgezeichneten
Figur, einer Hauptperle unserer Sammlung, gleich vollendet.
Der Körper ruht auf dem rechten Fusse, während der gebogene linke kaum den Boden berührt. Da-
durch bedingt sich die leise d(>n Körper durchziehende Bewegung, der etwas zurückliegt, gegen die linke
Seite ausgebogen, während der Hals wieder gerade aufsitzt. Die Haltung der Arme stellt das Gleichgewicht
der ganzen Gestalt, das durch die bewegte Stellung der Füsse unterbrochen wird, wieder her. Der linke ist
erhoben und im stumpfen Winkel gebogen, so dass die Hand in der Höhe des Kopfes erscheint, der rechte
gesenkt und sanft vorgebogen. Leber die ganze Gestalt ist das Behagen der Ruhe, das olympische Selbst-
genügen ausgegossen.1) Die Hände halten gegenwärtig keine Attribute, sondern, indem die Zeigefinger leicht
ausgestreckt, die übrigen Finger gebogen sind, scheinen sie gegen Himmel und auf die Erde zu deuten. Die
Linke fasste wahrscheinlich den langen, auf den Boden gestellten Thyrsus. auf den sich auch der Körper
etwas lehnte, wodurch sich dessen gebogene, die Hüften entlastende Haltung motivirt. Ob die rechte Hand
einen leeren Oantharus über die drei eingebogenen Finger gehängt getragen habe, oder immer ohne Attribut
M Dissolutissimus laxitate (Arnob. VI, 12).
s
gesenkten rechten Hand das Marsupium, die vorgestreckte Linke trug wahrscheinlich den kleinen öaduceus
Die Chlamys ist mit dem gehörigen kunstreichen Schwünge um Schultern und den linken Arm geschlagen,
das pausbackige Apfelgesicht hat den Ausdruck kindischen, schalkhaften Trotzes, der Krauskopf ist geflügelt.
Die Sicherheit des Einherschreitens nach Art der Grossen, im Gegensatze zu den kindlichen Formen, macht
eine hübsche Wirkung. Die Ausführung dieses guten römischen Figurchens ist eine ziemlich sorgfältige. Am
linken Arm befindet sich ein später hinzugefügter doppelter Fing aus Silberdraht geflochten. Der rechte Vor-
fuss fehlt, der linke ist beschädigt.
DIONYSOS ÜXD SEIN GEFOLGE.
Finden wir schon unter den anspruchsvolleren Marmorsculpturen eine erhebliche Anzahl aus diesem
Kreise als heiteren Schmuck der Villen und Gärten, so ist dies in noch grösserem Masse der Fall bei den
kleinen zum Schmucke des Inneren bestimmten Bronzefigürchen. Welcher Gott entspricht auch mehr der
lebensfrohen, auf Genuss bedachten Anschauungsweise der späteren griechischen und römischen Zeit als der
jugendliche Weingott, umgeben von seinem muntern, lärmenden Gefolge, wie er in glänzenden Festen mit
luxuriösen Aufzügen gefeiert wurde, was hätte sich besser zur Zier des Speisesaales geschickt als das Bild
des Beschützers der fröhlichen Gelage und seiner begeisterten Anhänger! Von der tiefen, mystischen Idee,
welche in dem bärtigen, reich bekleideten Bakchos mit langem Haar und von männlichen Zügen die Kraft
des Erdenlebens verkörperte, sind in den meist weit späterer Zeit angehörigen Bronzen nur mehr entferntere
Anklänge zn finden, indem das Wiederaufleben nach dem Absterben, die Falingenesis der Natur, durch einen
schwermtithigen, sinnigen Ausdruck des in jugendlich frischer, verjüngter Gestalt erseheinenden Gottes ange-
deutet wird. Wie der Frühling trotz seiner üppigen Frische das zart besaitete Gemüth häufig melancholisch
stimmt, so mischt sich in dem ausgebildeten Dionysos-Ideale mit jugendlicher Fülle eine träumerische, sehn-
suchtsvolle Stimmung. Wie er in gedankenvoller Buhe hinblickt, repräsentirt er das innerliche Seelenleben im
Bewusstsein frühen Todes, aber auch wiederkehrenden neuen Lebens. Edler Wein, massig genossen, erhebt
das Gemüth durch eine gewisse begeisterte Spannung über die trübe Anschauung des Alltagslebens: dies
prägt sich in der Bildung des Weingottes durch den Zug schwärmerischer Beseligung aus.
Im Wesen mancher Götter sind mancherlei Gegensätze, die in ursprünglich sehr verschiedenen Bildun-
gen zum Ausdrucke kommen, welche aber die Kunst in ihrer Blüthe zu verschmelzen und zu veredeln strebt,
indem sie jede schroffe Ausprägung vermeidet, und die Eigenthümliehkciten nur in feinen Zügen andeutet; in
Dionysos verbindet sie feine, fast weichliche Schönheit mit schwärmerischer Träumerei und einem melancho-
lischen Zuge unbefriedigter Sehnsucht.
Den vollständigen Typus, wie ihn die jüngere attische Schule ausbildete, stellt die herrliche auf Tafel
XX1I1 und XXIV in % Grösse abgebildete, 38 Centim. hohe Statuette dar, die wahrscheinlich eine sacrale
Bedeutung hatte. Sie wird durch kein Symbol charakterisirt. aber das psychische Moment und die Formgebung,
die Verschmelzung des Pathetischen mit vollendeter Anmuth, erhabener Majestät mit süsser Schwärmerei be-
zeichnen sie entschieden als Dionysos. Einfach und natürlich sind hier die verschiedenen Elemente des Wesens
zu einem harmonischen Ganzen vereinigt. Anordnung und Durchbildung sind in dieser brichst ausgezeichneten
Figur, einer Hauptperle unserer Sammlung, gleich vollendet.
Der Körper ruht auf dem rechten Fusse, während der gebogene linke kaum den Boden berührt. Da-
durch bedingt sich die leise d(>n Körper durchziehende Bewegung, der etwas zurückliegt, gegen die linke
Seite ausgebogen, während der Hals wieder gerade aufsitzt. Die Haltung der Arme stellt das Gleichgewicht
der ganzen Gestalt, das durch die bewegte Stellung der Füsse unterbrochen wird, wieder her. Der linke ist
erhoben und im stumpfen Winkel gebogen, so dass die Hand in der Höhe des Kopfes erscheint, der rechte
gesenkt und sanft vorgebogen. Leber die ganze Gestalt ist das Behagen der Ruhe, das olympische Selbst-
genügen ausgegossen.1) Die Hände halten gegenwärtig keine Attribute, sondern, indem die Zeigefinger leicht
ausgestreckt, die übrigen Finger gebogen sind, scheinen sie gegen Himmel und auf die Erde zu deuten. Die
Linke fasste wahrscheinlich den langen, auf den Boden gestellten Thyrsus. auf den sich auch der Körper
etwas lehnte, wodurch sich dessen gebogene, die Hüften entlastende Haltung motivirt. Ob die rechte Hand
einen leeren Oantharus über die drei eingebogenen Finger gehängt getragen habe, oder immer ohne Attribut
M Dissolutissimus laxitate (Arnob. VI, 12).
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