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Sauerlandt, Max
Das Sofabild oder die Verwirrung der Kunstbegriffe — Hamburg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.20001#0019
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durch „originalgetreue" Bemalung verfälschten Gipsabguß,
die weder den Laien noch den Kenner über sein eigenes
Empfinden und das Wesen des Kunstwerkes in die Irre
führen werden — einen solchen „täuschenden Ersatz" des
Originals zu bieten vermag, das bezeugen ja Universitäts-
professoren und Museumsleiter, die doch wissen müssen,
was sie sagen, und von denen man anzunehmen pflegt, daß
sie sich auch über das Kunstwerk auskennen. Ja, ein Be-
urteiler findet „das unerhört Bedeutende an diesen Blät-
tern" gerade „in der Illusion, das Originalgemälde vor sich
zu haben, mit all dem wunderbar Mystischen, das jedes
große Werk ausströmt." Ein anderer sagt:
„Farben, Malgrund, soweit er sichtbar ist, sogar die Schatten
der körperhaften Pinselstriche sind mit erstaunlicher Treue
wiedergegeben, und da auch das Format dem des Originals
entspricht, oder ihm sehr nahe kommt, so wird die Täuschung
vollendet, sobald man solch einen Druck unter Glas und
Rahmen vor sich sieht." „Ich habe," heißt es weiter, „die
Probe gemacht und bereits einige Sachverständige hinters
Licht geführt."

Das Urteil überschlägt sich. Einer der letzten Kritiker
spricht es bei Gelegenheit einer Ausstellung der Piper-
Drucke, denen sämtliche Räume der Berliner Sezession ein-
geräumt waren, offen aus: „Aber vielleicht kommt es nicht
einmal so sehr auf absolut täuschende Wiedergabe an, als
auf eine möglichst breite Realisierung des
Grundsatzes, daß ein wichtiges und wert-
volles Bild geradezu für die Reproduktion
da ist und in ihr erst seine Bestimmung
erfüll t." (Der Cicerone, XXI 1929, S. 554.)
Nun wissen die Künstler wenigstens, wofür sie da sind!
Sie haben der Industrie Reproduktionsmaterial zu liefern 0

„Täuschender Ersatz?" Wir wollen also getäuscht sein und
halten es für gut und richtig, auch unsere Mitmenschen zu
täuschen oder sie täuschen zu lassen? Ja, man verbrämt

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