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Zwei Arten der Vorzeichnung sind bei Cranach erkennbar. Erstens eine robuste Pinsel-
arbeit, teilweise ausführlich mit Angabe der Modellierung durch lavierte Flächen oder durch
Schraffierungen. Zweitens eine feine silberstiftartige Vorbereitung. Die Tafeln mit Pinsel-
vorzeichnung überwiegen bei weitem; in frühen Jahren sind selbst Bildnisse wie das Damen-
bildnis in Berlin-Dahlem so gearbeitet. Keine der großen Altartafeln Cranachs dürfte ohne
diese Vorbereitung entstanden sein. Vorzeichnungen mit ausführlicher Lavierung in einem
zweiten, grauen Ton, die wie große Visierungen gewirkt haben müssen, sind selten: sie finden
sich auf der frühen Torgauer Nothelfertafel und auf den beiden Darstellungen aus der Ge- Tafel 39
schichte der Judith vom Jahre 1531 [307]; in jedem Falle müssen besondere Absichten zu so
ausführlicher Vorbereitung bewogen haben. Beispiele starker schraffierender Vorzeichnung
sind bei der Heiligen Dreifaltigkeit von 1515 in Leipzig [308], der Verspottung Christi in
Weimar [309] und bei dem Schmerzensmann der gleichen Sammlung [310] erhalten. Tafeln 84-87

Die Stiftvorzeichnung ist dagegen sehr selten angewandt worden: in freier ausführlicher
Weise bei den nackten Leibern des Silbernen Zeitalters von 1527 in Weimar [311] und bei der
Venus von 1532 [312], gelegentlich auch bei der Durchzeichnung von Porträtköpfen, wozu Tafel 149
bei schematischen Wiederholungen auch fein zugespitzter Rötelstift benutzt worden ist. [313]
Bei Bildnissen ist zuweilen kaum die Spur einer Vorzeichnung zu erkennen, die Ausführung
dürfte dabei streng nach dem Modell, entweder dem lebenden oder nach einer gemalten Por-
trätaufnahme, erfolgt sein. Drei solcher auf Papier oder Pergament gemalter Bildnisköpfe, die
in Gemälden Verwendung fanden, sind von Cranachs Hand erhalten: Graf Philipp von Solms,
um 1520, in Bautzen [314], Hans Luther, 1526, in Wien [315], Martin Luther, um 1532, in Tafeln 1/5, u6,167
schottischem Privatbesitz [316]. Ehe sich die knappe, schlagende Ökonomie dieser Köpfe
herausgebildet hatte, deren beste Leistung der Kopf eines bartlosen Mannes in Berlin-Dahlem
ist [317], scheint es freiere Lösungen gegeben zu haben. Das frontale Brustbild eines Herrn in Tafel 64
Barett in Wien [318], eindrucksvolles Beispiel der Zeit um 1510, scheint ein abgekürztes Tafel 72
Gemälde: so sehr rechnen die andeutenden Striche mit dem ausfüllenden Malwerk. In er-
schütternder Lebhaftigkeit erscheint der Kopf eines Bauern auf einem etwas späteren Blatt in
Basel [319], von dem es ungewöhnlicherweise eine glättende Wiederholung in London gibt. Tafel 63
[320] Diese viel zu wenig gewürdigte Studie ist eine der ersten lebendigen Aufnahmen des
gemeinen Mannes in der deutschen Kunst. Der Hofmaler war den Landleuten näher als einer
seiner Kollegen in den großen Städten, er erlebte ihren Mut und ihre Entschlossenheit beson-
ders wohl auf den Jagden des Kurfürsten. Den harten Bauernkopf mit tiefeingegrabenen
Zügen, die schlichte Tracht ohne jede Spur von Überhebung überliefert zu haben, vielleicht
auch ohne jeden Auftrag, ist eine der erstaunlichsten Leistungen des Malers Cranach.

Zu den Werkstattbehelfen, aus denen die Kopfstudien hervorgegangen sind, gehören auch
einige Gemälde, wie die Köpfe von Christus und Maria, auf ein Pergamentblatt gemalt, um
1512 bis 1514 entstanden. [321] Von dieser Doppelstudie in Gotha scheinen ähnliche Schüler-
arbeiten angeregt. [322] Besonders merkwürdig ist die Darstellung eines kleinen sitzenden
Knaben mit Signatur und Datum 1526, in Dresden. [323] Fast ohne Angabe der Umgebung,
ist diese Studie ein Beispiel für die Einseitigkeit solcher Zuarbeit für Gemälde; ein aus-
geführtes Werk (Christus als Kinderfreund?) ist nicht bekannt.

Ein nicht erhaltenes Modell ist für die abgeschlagenen Häupter Johannes' des Täufers und
des Holofernes jahrzehntelang in Gebrauch gewesen. Es hat schon für den Neustädter Altar
von 1510/12 gedient und findet sich seitdem auf Darstellungen der Salome und Judith mit
leichten Abwandlungen.

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