Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Reihen der bis in diese dunklen Jahre reichenden Darstellungen: Gebet am Ölberg, Kreuzi-
gung, Auferstehung sind trotz des gewissen Gleichmaßes ohne wirkliche Höhepunkte. Die

Tafel 255 Haltung des betenden Christus in Augustusburg 1571 und in Dietrichsdorf 1575 ist sehr ähn-
lich, die schönste Wirkung geht von der noch breit erblühenden Landschaft aus, während das
Gemälde von 1582 in Coswig auch darin eine Einschränkung bringt. Die Darstellungen der
Auferstehung Christi, eine besonders lange und dichte Kette im Werk des jüngeren Cranach,
haben zwischen 1557 [720] und 1565 [721] eine reife Ausbildung, von der die Fassungen von
1571 [722] und um 1580 [723] zehren, bis 1584 [724], vielleicht unter dem Einfluß Augustin

Seite 4}4 Cranachs, eine neue Bewegungsvariante erprobt wurde.

Das Bild des Gekreuzigten, unter den gegebenen Umständen der geringsten Abwandlung

Seite 4}) fähig, tritt besonders eindrucksvoll 1570 in Nienburg [725] hervor, erlebte noch 1574 für

Tafel 2J3 Annaburg [726] eine erstaunliche Beseelung und geht dann in dem letzten großen Altarwerk

Tafel z^4 für Colditz 15 84 [727] in einem wenig geformten dichten Gedränge unter. Die figürliche Kom-
position der Colditzer Mitteltafel ist nicht mehr als eine bloße Ausfüllung des vom Kurfürsten
angegebenen herzförmigen Bildformats, auch ein Buch der kurfürstlichen Bibliothek existiert
in herzförmigem Einband. [728] Ob auch gewisse herzförmige Anordnungen beim Augustus-
burger Altarbild vom Kurfürsten angeregt waren, muß offenbleiben. Beim Colditzer Altar
ist die Kapitulation vor den Bedingungen des schwierigen Formates offensichtlich. Es bleibt
noch ein Rest an großer Haltung, aber die notwendige Verbindung der großen Form mit
strahlendem Detail bleibt aus.

An den Arbeiten der letzten Jahre hat Augustin Cranach (1554-1595) sicherlich Anteil, die
Altarwerke für Salzwedel und Colditz sind kaum ohne seine Mithilfe entstanden. Augustin
war 1571/72 als Goedings Geselle an der Ausmalung von Schloß Augustusburg beteiligt;
seinetwegen konnte Zacharias Wehme, der kurfürstliche Stipendiat, nicht in die Werkstatt
Goedings aufgenommen werden. Wehmes Ausbildung übernahm daher Cranach in Witten-
berg (1571-1581). Das Improvisationstalent Goedings mit seiner Vorliebe für haltlose Figür-
chen und blendende Effekte wirkt stark in einzelne Arbeiten der Cranachwerkstatt hinein, zum

Seite 414 Beispiel in das Epitaph für Nicolaus von Seidlitz von 1582 [729], in dem man mit Gewißheit
ein Werk Augustin Cranachs vermuten darf. Der lange Schweif des Höllenfeuers im Hinter-
grund ist ein eindeutiges Goeding-Motiv. Das Bemühen um Effekte dieser Art läßt die Figuren
verkümmern. Die geringe Durchbildung der Gestalt des Auferstehenden ist deutlich beim
Vergleich mit den nahestehenden Fassungen des jüngeren Cranach in Augustusburg und in

Tafel 2$6 Schweizer Privatbesitz. Mit dem Gemälde der Bekehrung des Paulus, Epitaph für den Juristen
Veit Oertel Windsheim von 1586 [730], hat Augustin wahrscheinlich seine selbständigste Lei-
stung erbracht, wenn auch in teilweiser Anlehnung an einen Stich des Lucas van Leyden.
[731] Von der Kraft der künstlerischen Durchbildung her ist das Werk kaum noch ein
Ruhmesblatt der Wittenberger Werkstatt, selbst wenn es in Wittenberg als das letzte Gemälde
Lucas Cranachs d. J. galt. Diese Angabe ist wohl so zu interpretieren, daß Augustin in diesem
Fall noch auf Vorarbeiten und alte Mitarbeiter bauen konnte. Selbständig fortgeführt hat er
die Werkstatt kaum. Als 1586, wahrscheinlich auf kurfürstlichen Befehl, eine Kopie des Cra-
nachschen Katharinenaltars von 1506 in Auftrag gegeben wurde, übernahm Daniel Fritsch in
Torgau diese Arbeit. [732] Der Cranachsche Besitz an alten Gemälden und alter Graphik, vor-
nehmlich von Dürer, kostbares Arbeitsmaterial der Malerwerkstatt, gelangte bereits 1591
durch den älteren Bruder Lucas (III, 1541/42-1611) in die kurfürstliche Kunstkammer zu
Dresden.

98
 
Annotationen