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Bewältigung des größeren Formates wirkt keimhaft bereits im Stadium der ersten Vorberei-
tung.

Zwischen frühen Bildnisaufnahmen des Sohnes, wie der des Justus Jonas [740], die zusam-
menhängt mit einer Reihe von Reformatorenbildnissen von 1537 [741], und der Studie des
Lutherkopfes von 1532 von der Hand des Vaters [747] bestehen sicherlich nur ganz geringe Ta/e/167
Unterschiede. Der Sohn war bemüht, das Vorbild des Vaters nachzuahmen. Wo dessen
Umriß und dessen Modellierung aber aus der Summe gereifter Erfahrungen gesammelt ist,
treten bei dem Nachfolger Züge hastiger Abkürzung hervor. Die Feinstruktur der Bildun-
gen ist erschüttert, wie bei den Bildnisminiaturen des jüngeren Cranach insbesondere zu
beobachten ist.

Geschickt bedachte Flächenbeziehungen treten an die Stelle des älteren Systems kurzer
starker Modellierungen, die in einer geometrischen Flächenordnung aufgingen. Der getönte
Grund wird stärker in die Darstellung einbezogen. Augen, Nase, Mund und die Haartracht
sind scheinbar frei eingesetzt. Aus diesen Ansätzen erwächst unter den Händen des jungen
Künstlers eine neue große Auffassung des Bildnisses, deutlich bei den Gemälden um 1542 in
Wittenberg [743] und von 1543 in Stuttgart [744], von 1545 in San Francisco [745] und von Tafeln 202, 20), 205
1546 in Warschau. [746] Tafel 207

' Noch überwiegt zeichnerische Festigkeit, wenn der Sohn in dem bedeutenden Bildnis von
seinem Vater im Jahre 1550 Abschied nimmt. [747] Kopf und Hände sind mit einer gegen- Tafel 217
ständlichen Genauigkeit abgeformt, wie sie sonst wohl von Masken und Abgüssen wahr-
genommen wird. Das Bild gehört in die Reihe der Väterbildnisse von Dürer [748] und Burgk-
mair [749], wie sie wohl nur die deutsche Kunst damals aufzuweisen hatte. Das Bild ist kein
persönliches Erinnerungsstück. Es hat das damals für Fürsten und Gelehrte übliche große
Format, das allerdings noch unter den Maßen des großformatigen Reformatoren- und Fürsten-
bildnisses [750] liegt. Bezeichnend für die damalige Bildnisauffassung ist das Sperrige der
Haltung und des Umrisses. Der Körper sucht die Entfaltung im Format, ist nicht nur in dieses
eingeschrieben. Schlagschatten helfen immer häufiger, die Gestalten vom Grund zu lösen.
Ausfahrende Umrisse, ein aus der Untersicht aufgenommener Kopf [751] deuten einen neuen
Handlungsspielraum an, der bezeichnend ist für die neue Konvention des vornehmen Bild-
nisses.

Die Zeit der Monumentalbilder des jüngeren Cranach brachte auch dem Bildnis eine beson-
dere Entfaltung. Bildnisaufnahmen aus diesen Jahren sind von sprühendem Leben erfüllt.
Die ungelöste Spannung früherer Studien macht einer fast heiteren Souveränität Platz. [752]
Neben den Bildnissen des Weimarer Altars repräsentiert diese Haltung in überwältigender
Weise das Bildnis des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. [753] Bereits die barhäup- Tafel 234
tige Bildnisstudie ragt durch kraftvolle Zusammenfassung der Einzelbeobachtungen hervor. Tafel 250
Sie ist ganz ein Konterfei bis in die geringste Bewegung der Augenbraue und die etwas
schlaffen Wangen, aber auch vollkommen bewältigte Form. Im ausgeführten Gemälde ist die
Aufnahme gestrafft, Bestandteil einer fürstlichen Haltung [754] in prächtigem Gewand. Die
Bildungen dieser großen Tafel sind weich. Himmelblau und Erdbeerrot sind das bestimmende
Farbpaar. Heitere Festlichkeit geht von dem gewaltigen Bild aus. Verglichen mit der Biogra-
phie Joachims II. verkörpert das Bild mehr den Herrschaftsanspruch des Fürsten als seine un-
vollkommene Ausfüllung. Das Bild greift prägend in die Geschichte ein, wie es ja bei dem
gleichzeitigen Altarwerk für Johann Friedrich in Weimar von 1555 und bei dem Gedächtnis- Tafel 22g
bild auf die Verbindung der Häuser Anhalt und Hohenzollern von 1556 zu bemerken war. Tafel 220

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