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Als Repräsentationsbild eines regierenden Herrschers von Rang hat das Cranachwerk in der
deutschen Kunst nur wenig Verwandte. Dürers großartiges Bildnis Kurfürst Friedrichs des

Seite 426 Weisen, um 1496 [75 5], gehört dazu, im Cranachwerk das große Bildnis Johann Friedrichs als

Tafel i)4 Kurfürst [756], im Werke Hans Holbeins d.J. die Darstellungen König Heinrichs VIII. von
England. [757] Das Halbfigurenbildnis in seiner bedrängenden Nähe wirkt im Grunde stets
viel unmittelbarer als die mehr distanzierende Darstellung im Ganzfigurenbild, die später zu
einer wichtigen Aufgabe des Bildnismalers Cranach geworden ist. Das Außergewöhnliche der
Leistung wird deutlich gegenüber dem in der Haltung verwandten Bildnis Markgraf Georg

Tafel 260 Friedrichs von Ansbach-Bayreuth aus der Zeit um 1570. [758]

Die große malerische Haltung Cranachs ist vermutlich mit bedingt durch den Einfluß
einiger Tizianbildnisse, die aus der Zeit des Augsburger Aufenthaltes, 1548 und 15 50/51, nach
Sachsen gelangt sein müssen. Eines von ihnen, die Kopfstudie zum Bildnis des Kurfürsten
Moritz von Sachsen, stand unter den Künstlern in solchem Ansehen, daß sie der Hofmaler
Heinrich Goeding 1575 als Geschenk erhielt; es ist wahrscheinlich in Dresden erhalten. [759]
Die Hoffnungen des Dresdner Hofes knüpfen sich auch im Bildnisfach anfangs an das
Schaffen Francesco Ricchinos aus Brescia. [760] Als er um seine Beurlaubung nachsuchte,
waren Bildnisse des Kurfürstenpaares in Arbeit [761], ihre Vollendung scheint mit ein Grund
für die hinausgezögerte Entlassung gewesen zu sein. Bis in die letzten Jahre seines Wirkens
war wohl der in Leipzig und Freiberg tätige, 1565 verstorbene Hans Krell ein bevorzugter
Bildnismaler des Hofes. [762]
Der jüngere Cranach scheint erst an seine Stelle getreten zu sein, insbesondere mit den sechs
Tafeln 242-245 Ganzfigurenbildnissen der kurfürstlichen Familie aus den Jahren 1564/65. [763] Unmittelbar
voraufgegangen waren diesen Holztafeln 1563 die Bildnisse des Fürsten Joachim Ernst von
Anhalt, eines besonderen Förderers des Künstlers, und seiner Gemahlin Agnes, allerdings nur
Tafeln 240,241 auf Leinwand gemalt. [764] Zum ersten Mal war das Thema der Ganzfigurenbildnisse im

Tafel797 Holzschnitt um 1547/48 behandelt worden. [765] Eine besondere Bereicherung bilden bei den
Gemälden von 1563 die hohen Bögen aus farbigem Stein, an deren Vorsprüngen die Schlag-
schatten der Gestalten sich brechen. Diese Erhebung der Bildnisse zu Monumenten war un-
gewöhnlich. Die profanen Ganzfigurenbildnisse Cranachs des Älteren hatten sich mit einer
schmalen Raumbühne begnügt, bei der zuletzt nur durch das Spiel des Schlagschattens eine

Tafel 187 bescheidene räumliche Entfaltung angedeutet worden war. [766] Der Gedanke der Herrschaft
wird repräsentiert durch die Familie des Kurfürsten, die nach menschlichem Ermessen ihren
Fortbestand garantierte. Eine solche Bildnisreihe war sicherlich der Gliederung eines einzigen
Raumes zugeordnet, wobei die verschiedenen Lebensalter nicht einzeln paarweise, sondern
wohl eher in einer Reihe ansteigender oder abfallender Bildformate gegenübergestellt waren.
Zu drei der sechs Bildnisse erlauben die erhaltenen Studien einen Einblick in die Entstehungs-

Tafel 24S geschichte. Beim Bildnis Kurfürst Augusts scheint die Übertragung der Aufnahme [767] ohne
Verlust an Form und Kraft der Charakterisierung vorgenommen worden zu sein. Aus den
erstarrten Gesichtszügen der Herzogin Elisabeth und des Herzogs Alexander wird man da-
Tafeln 246,24-j gegen nur mit Mühe die Lebhaftigkeit der in Berlin [768] und Wien [769] erhaltenen Studien
herauslesen können. Diese nicht mehr in der Art der früheren Blätter auf bräunlich getöntem,
sondern auf hellem Papiergrund ausgeführten Köpfe sind mit die stärksten und eigenartigsten
Proben des jüngeren Cranach als Bildnismaler. Kein naiver Zug haftet ihnen an. Die Begeg-
nung dieser Gesichter mit dem detailliert gemalten Gewand und mit den Flächen und Schat-
tenfiguren erzeugt dann allerdings eine unheimliche Zwiespältigkeit.

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