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Randerscheinung mit vielen Einschlägen kultivierter Provinzialität. In der Kunst führend
wurden die Niederlande, zweifellos in erster Linie wegen der starken bürgerlichen Potenzen,
die von einer kräftigen kapitalistischen Grundlage her in die höfische Kunst des barocken Zeit-
alters einflössen. Aus der Erfahrung der Künstler gespeister Realismus kam in ihr zur Entfal-
tung und war wesentlich an dem Entstehen einer Blütezeit von erstaunlichem Ausmaß betei-
ligt. Die deutsche Malerei der Zeit war im ganzen nur ein Abglanz der Hauptströmung, es
fehlte nicht an Anregungen, sondern an den gesellschaftlichen Voraussetzungen, die allein
eine starke selbständige Entfaltung hätten tragen können. Der Dreißigjährige Krieg unter-
brach wichtige Ansätze und beschleunigte zugleich den Übergang zu einer leistungsfähigen
höfischen Kunst barocker Prägung.

Zu dieser geschichtlichen Entwicklung führen von der Cranachschen Kunst wohl keine
breiten Verbindungen. Die Bilder in den Galerien vornehmer Sammler, die Holzschnitte in
den Händen der Künstler gehörten zu der gesicherten Tradition, die als Ganzes zu schöpfe-
rischer Betrachtung anregte. Meister wie Rembrandt und Velazquez sind gewiß gelegentlich
von Cranach berührt worden, neuere Künstler haben seine Gemälde unter verschiedenen
Gesichtspunkten betrachtet, bevor dem Graphiker Picasso die Wiederentdeckung des Lebens-
gehaltes Cranachscher Frauenbilder zeitweise zu einer zweiten Wirklichkeit wurde.

Der Nachruhm Cranachs ist dabei nicht eigentlich aus inneren Verdiensten gewachsen, son-
dern hat sich in Anpassung an die Erfahrungen verschiedener Zeiten immer wieder lebhaft
erschlossen. Die merkwürdig zähe Bewährungskraft gegenüber einer Vielzahl an sie heran-
getragener Betrachtungsweisen hat sich dabei als eine wichtige Eigenschaft Cranachscher Kunst
herausgestellt. Es sind die Spuren scheinbar längst in der Geschichte versunkenen Lebens, die
in verblüffender Weise aktuell geblieben sind. Der Überschwang aus dem Hochgefühl des
einen Zeitalters und die Unterordnung unter die übermächtigen Verhältnisse der folgenden
Epoche finden sich in teils naiver, teils geistreicher Verschränkung. Im ganzen wie im einzel-
nen wird aus dem Werk der Cranach geschichtliches Verhalten als künstlerisch gestaltete Wahr-
heit mit wachsender Erfahrung nur noch tiefer erschlossen werden können.

Engel mit dem
kursächsischen
Wappenpaar.

1519.
Holzschnitte
 
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