Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schenkel, Wolfgang
Zur Rekonstruktion der deverbalen Nominalbildung des Aegyptischen — Wiesbaden, 1983

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14997#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1.

Einleitung

1.1 Die Osingsche „Nominalbildung": Quellenbezogene Dokumentation als Basis
der Systembildung

In Jürgen Osings ,,Nominalbildung des Ägyptischen" 1 besitzt nunmehr die Ägyptologie und
besitzen die hamitosemitistischen Nachbardisziplinen ein Werk, das auf lange Zeit hinaus als eine
grundlegende Dokumentation des im Buchtitel näherungsweise umschriebenen Objektbereichs
dienen kann und mutmaßlich dienen wird. Es handelt sich um eine Darstellung, die man
dimensional und qualitativ getrost neben Kurt Sethes ,,Aegyptisches Verbum" 2 stellen kann, eines
der grundlegenden Handbücher für die Erforschung des Altägyptisch-Koptischen, das, obwohl in
einem Zeitraum von achtzig Jahren seit seiner Drucklegung deutlich veraltet, noch immer wegen
der hier bewältigten Belegmasse mit Gewinn konsultiert wird.

Diese Einschätzung bedeutet, wie jedem Eingeweihten nachvollziehbar, ein hohes Lob. Es soll
zugleich damit aber auch ein Tadel formuliert sein - angesichts der allgemeinen Wertschätzung
jedenfalls der Setheschen Arbeiten ein vielleicht überraschendes Ansinnen --: ein Tadel nämlich
für die Vernachlässigung systematischer Gesichtspunkte bei der Klassifizierung des Belegmaterials.
In diesem Bereich wird wohl denn doch selbst der größte Bewunderer Sethes nicht unbedingt die
besondere Stärke dieses enormen Arbeiters sehen wollen. Und hierin liegt auch nicht gerade, wie
aus dem folgenden ablesbar, die besondere Stärke der Nominalbildungslehre Osings.

Beide Werke, Sethes Verbum und Osings Nominalbildung, sind eminent philologische Produk-
tionen: quellenorientiert, theoriefern. Der Philologe, wie er hier sich zeigt, arbeitet unter der
Prämisse, daß sich, eine gewisse Reichhaltigkeit vorausgesetzt, ein Quellenmaterial von selbst
ordnet, sofern man nur durch hartnäckiges Studium das Material unter Kontrolle, d.h. in den
Kopf oder in den Zettelkasten, bekommt. Gegenüber der Materialbewältigung spielt die Frage
nach den Prinzipien und Strategien der Durchordnung des Materials eine untergeordnete Rolle.
Die Vorgehensweise bietet sich „von selbst" an und versteht sich ,,von selbst". Das eigentliche
Problem ist die Herauslösung der interessierenden Daten aus den komplexen Zusammenhängen
der Quellen und die Überwindung der durch den Substanzverlust der Quellen hervorgerufenen
Unklarheiten.

Ich hege nicht den geringsten Zweifel daran, daß der Fortschritt einer historischen Wissenschaft
wie der Ägyptologie wesentlich auf der Erschließung und der Bewältigung des Quellenmaterials
beruht, und zolle daher Werken, die auf genauer Kenntnis der Quellen und ihrer Problematik
basieren, in dieser Hinsicht uneingeschränkte Anerkennung.

Je fundierter eine Dokumentation ist, desto reizvoller - - und bequemer! ist dann allerdings
auch die nun anstehende Aufgabe der Reorganisation eines solcherart aufgeschlossenen Quellen-
materials unter systematischen Gesichtspunkten. Nun entbehren die in Rede stehenden Dokumen-

1 Jürgen Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Mainz 1976 (im folgenden abgekürzt: NBA).

2 Kurt Sethe, Das aegyptische Verbum im Altaegyptischen, Neuaegyptischen und Koptischen, Leipzig 1899-1902.
 
Annotationen