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Schenkel, Wolfgang
Zur Rekonstruktion der deverbalen Nominalbildung des Aegyptischen — Wiesbaden, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.14997#0162
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3. Nachbericht

Mit dem vorangehenden §2.7 ist die hier vorgelegte Nachkonstruktion der Osingschen Nominal-
bildungslehre abgeschlossen. Wenn auch das erklärte Ziel der Arbeit das einer Nachkonstruktion
war, so ließ sich doch nicht vermeiden, fallweise andere Lösungen zu erwägen als die von Osing
gebotenen, einerseits, weil der Versuch der expliziten Nachkonstruktion Schwachstellen der
nachzukonstruierenden Aufdeckungsprozedur offen legt, andererseits, weil stellenweise alternative
Konstruktionswege gewählt wurden, die zwar in logischer Hinsicht keinen Fortschritt gegenüber
der Osingschen Prozedur bedeuten, ihr aber hinsichtlich der Ökonomie der Beschreibungs- und
Erklärungsmittel überlegen sind. Über die jeweiligen Entscheidungen gibt der vorangehende Text
Auskunft. An dieser Stelle seien darüber hinaus nur noch ein paar allgemeine Erfahrungen aus dem
Versuch der Nachkonstruktion formuliert.

Das wichtigste praktische Ergebnis ist wohl dies, daß das Material, das der Rekonstruktion der
deverbalen Nominalbildung zugrunde gelegt wurde, weniger bietet, als Osing, NBÄ, zeigen zu
können glaubt. Es ist zum mindestens eine alternative Rekonstruktion möglich, die hier vorgelegte
nämlich, die weniger Aussagen ergibt als die Osingsche und dennoch das gesamte von Osing
herangezogene Material berücksichtigt.

Was die vorliegende Nachkonstruktion zweitens zeigt, ist, daß eine Rekonstruktion ohne Rekurs
auf das sog. Dreisilbengesetz möglich ist. An keiner Stelle der Nachkonstruktion besteht bei der
Gleichung von Formklassen unterschiedlicher Stammlänge oder bei der Zuordnung maskuliner zu
femininen Formen die Notwendigkeit, auf einen Vokal Bezug zu nehmen, der nicht zur Zeit des
Zweisilbengesetzes vorhanden war, auch dort nicht, wo eine solche Interpretation oben suggeriert
wird (§§2.6.2-4, bei Fußnoten 5-8); Näheres dazu unten. Demgegenüber rekurriert Osing, NBÄ,
fallweise in solchem Zusammenhang auf Vokale, die zur Zeit des Dreisilbengesetzes existierten, zur
Zeit des Zweisilbengesetzes jedoch in einem Teil der Fälle elidiert worden waren, um die Formen
den Erfordernissen des Zweisilbengesetzes anzupassen l.

Die Frage hat zwei Aspekte, die es sich kurz zu verfolgen lohnt: einen systematischen und einen
historischen.

Der systematische Aspekt: Ungeachtet dessen, daß die Nominalbildung eines historischen
Ägyptisch auf ein älteres System der Nominalbildung der Zeit eines Dreisilbengesetzes zurück-
gehen kann: Solange die Nominalbildung ein aktiver Bestandteil der Sprache ist, muß sie innerhalb
der jeweils geltenden Silbenstrukturgesetze funktionieren, also auch innerhalb des Rahmens, den
das Zweisilbengesetz vorgibt. M.a.W.: Man muß ein zur Zeit des Zweisilbengesetzes geltendes
System der Nominalbildung auch ohne Rekurs auf einen älteren Zustand und selbst unter Verzicht
auf historische Befunde als „Indizien" für die Rekonstruktion des synchronen Systems beschreiben
können, zum mindesten näherungsweise. Selbstverständlich besteht dann die Möglichkeit, daß das
System infolge der Adaptierung der Einzelformen an das Zweisilbengesetz nicht einfach strukturiert
ist. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß das System unter Zugrundelegung der durch das
Zweisilbengesetz entstandenen Lautformen umstrukturiert wurde, daß jetzt also die Formklassen

1 Z.B. NBÄ S. 539, Anm. 373.
 
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