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Die Herstellung der Lehmziegel. 295

zugesetzt, dessen einstiges Vorhandensein man selbst in den ver-
brannten Ziegeln noch deutlich erkennen kann. Der Lehm
wurde mit Wasser geknetet, mit Stroh vermengt und dann ge-
formt. Das Trocknen geschah entweder unter freiem Himmel
oder besser unter einem schützenden Dach und dauerte sehr
lange Zeit. Sollten die Ziegel vollständig austrocknen, so muss-
ten sie vor der Benutzung zwei volle Jahre hindurch liegen
bleiben, weil erst nach Ablauf dieser Zeit auch das Innere des
Steins seine Feuchtigkeit ganz verloren hatte. In Utica durften,
wie Vitruv berichtet, die Lehmziegel sogar erst dann verbaut
werden, wenn sie fünf Jahre alt waren, und wenn durch ein
obrigkeitliches Zeugniss dieses Alter garantirt wurde.x Für
die Anfertigung der Ziegel eignet sich am besten der Früh-
ling oder der Herbst, denn im Sommer werden sie von der
starken Hitze im Aeussern so schnell und so vollständig ge-
trocknet, dass die im Innern befindliche Feuchtigkeit fast gar
nicht mehr entweichen kann; werden solche Ziegel dann benutzt,
so zerreissen sie bald und das Mauerwerk ist nicht dauerhaft.
Die Formate der Ziegel sind sehr verschieden. Nach Vitruv
gibt es drei Arten: 1) der lydische Ziegel, l1/^ Fuss lang und
1 Fuss breit (0,44 m — 0,30 m), namentlich in Italien üblich;
2) der Pentadoron, welcher 5 Palme (0,37 m) im Quadrat hielt
und namentlich bei den öffentlichen Gebäuden der Griechen an--

1 Herr Hauptmann Bottich er behauptet in der Zeitschrift für Museolo-
gie, 1884, S. 190, dass es „einfach unmöglich" sei, aus trockenen Lehmzie-
geln und nassem Lehmmörtel eine Mauer herzustellen; Lehmziegel könne
man nur in nassem Zustande verwenden, weil sie sich sonst nicht mit dem
Mörtel verbänden. Dem Herrn Hauptmann ist offenbar noch nicht be-
kannt geworden, was Vitruv über den Luftziegelbau im Alterthume schreibt;
auch weiss er jedenfalls nicht, dass noch heute im Orient viele Häuser, ja
ganze Städte genau in derjenigen Weise erbaut werden, welche er für „ein-
fach unmöglich" hält. Wenn der „Dorfbaumeister", welchen der Herr
Hauptmann als Gewährsmann anführt, diese Bauart noch nicht kennt, so
kann ich sie demselben aus eigener Erfahrung aufs beste zur Nachahmung
empfehlen.
 
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