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Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte.

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druck Filarete nennt. Archilekt und Bronzebildner, hat
er sein Leben außerhalb seiner Vaterstadt, wo man ihn, scheint
es, nicht sonderlich schätzen wollte, verbracht, in Oberitalien,
wo er das große Spital von Mailand baute, in Rom, wo er einen
bedeutenden Auftrag erhielt, den Guß der Erztüren von
S. Peter. Sein großer Traktat, der zwar bis auf den heutigen
Tag nicht vollständig gedruckt ist, aber seine Beliebtheit
durch zahlreiche Handschriften und die für Matthias Corvi-
nus angefertigte lateinische Übersetzung dokumentiert, ist
zwischen 1451 und 1464 entstanden. Vasari hat ihn recht ab-
fällig beurteilt; er bleibt aber doch ein ansehnliches Doku-
ment der Frührenaissance. Mit Alberti hat Filarete die starke
Tendenz nach dem antiken Ideal gemein, von der nicht nur
sein nom de guerre, sondern auch seine Werke -— so die Odys-
seusplakette in Wien und die für Piero Medici gefertigte
Bronzereduktion des Marc Aurel in Dresden — Zeugnis ab-
legen. Die romanhafte Einkleidung und das klassizistische
Milieu nähern seinen Traktat dem später zu besprechenden
,Traum des Polifilo'; aber an literarischer Formvollendung
sieht er weit unter Alberti. Wohl aber hat er nähere Bezie-
lm ngen zur Praxis als dieser oder vollends als der Literat
Colonna, der Autor der ,Hypnerotomachia'.

Der Traktat besieht zum Teil aus Dialogen zwischen dem
Verfasser (der sich hinter einem Anagramm Onilona = An-
tonio versteckt) und seinen Patron und Bauherrn FranCöeCC
Sforza, sowie dem jungen Galeazzo Sforza. Diesem soll die
vor!redliche neue antikische Manier zu Gemüte geführt und
mundgerechl gemacht werden: Filarete spielt die Rolle des
liiskanischen Erziehers zum guten Geschmack in der Lombar-
dei. Es ist bekannt, wie lange man hier, und vielleicht noch
mehr in Venedig, an den überlieferten ,gotischen' Formen,
freilich in ganz origineller Ausbildung, festgehalten hat, im
Kirchen- wie im Profanbau. und wie diese gerade im XV. Jahr-
hundert zu reichster Blüte entwickelt worden sind. Filarete
selbst hat in seinem Mailänder Spital, trotz aller Theorie, mit
ihnen paktieren müssen. In seinem Buche ist er jedoch der
leidenschaftlichste Parteigänger der ,maniera antica'; dieser
Praktikus prunkt mit dem humanistischen Gelehrtenkleide,
das er freilich nicht mit dem Anstände und der Würde eines
 
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