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Schnaase, Carl
Geschichte der bildenden Künste (Band 8): Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert — Stuttgart, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.1297#0006
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VI Vorrede.

Grossvaters Holbein ans Licht beschworen und dieses Phantom sowie
dessen angeblichen Enkel auf Kosten des Vaters Holbein bereicherten
Der Bearbeiter hatte hier einen schwierigen Stand, denn während uns
der Grundsatz leitete, das Geisteswerk Schnaase's so unberührt wie mög-
lich dem Publikum zu überliefern, musste hier nothwendig tiefer einge-
griffen werden, um die Darstellung dem Standpunkt der heutigen Forschung
gerecht zu machen. Wir glauben, dass der Respekt vor der Wissenschaft
und die Pietät gegen ihren verehrten Meister gleichmässig dies Verfahren
gebot. Man wird finden, dass trotzdem überall mit behutsamer Hand
vorgegangen wurde, und dass die, wie immer durch edlen, klaren Fluss
ausgezeichnete Darstellung Schnaase's dabei möglichst unberührt blieb.
Wir haben ausserdem Sorge getragen, was wir zu ändern oder zuzu-
setzen Veranlassung fanden, durch eckige Klammern einzuschliessen, so
dass dem Leser das Urtheil über diese Zusätze ermöglicht wird.

Wenn die Herausgabe dieser Schlusshälfte sich über Erwarten ver-
zögerte, so trug die Schuld davon nicht blos die in der Sache selbst
liegende Schwierigkeit, sondern mehr noch persönliche Schicksale meines
geschätzten Collegen, die im Bunde mit der Uebernahme eines Amtes als
Vorstand der königl. Gemäldegalerie in Cassel dem rascheren Fortschreiten
des Werkes unübersteigliche Hindernisse in den Weg legten.

Leider ist es auch jetzt nur ein Fragment, was wir bieten. Es wird
immer tief zu beklagen sein, dass es Schnaase nicht vergönnt war, die
Darstellung der italienischen Kunst des 15. Jahrhunderts zu vollenden;
aber wer hätte sich vermessen sollen, in seinem Geiste den Torso zu er-
gänzen? Seine Absicht ging darauf hinaus, bei länger gewährter Lebens-
frist die Epochen der neueren Kunst seit dem sechzehnten Jahrhundert,
die ihm genügend von der Forschung durchgearbeitet schienen, nur in
grossen Umrissen nach ihrem geistigen Gesammtgehalt zu skizziren.
Waren hier von ihm keine neuen Thatsachen zu erwarten, so hätte doch
ohne Frage die geistvolle Tiefe seiner Betrachtungsweise, die von der
heut allgemein herkömmlichen in wesentlichen Punkten sich unterschied,
auch auf diese Partieen bedeutsame neue Lichter geworfen.

Es hat nicht sein sollen, und es bleibt uns nichts übrig, als auch
für die verkürzte und doch so unerschöpflich reiche Gabe dem edlen
Geiste des Hingeschiedenen verehrungsvollen Dank zu zollen.

Stuttgart, im Juli 1879.

W. Lübke.
 
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