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Schnaase, Carl
Geschichte der bildenden Künste (Band 8): Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert — Stuttgart, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.1297#0104
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j8 Geistige Richtung und Charakterbildung des 15. Jahrhunderts.

Kunst noch einen Einfluss auf die italienische ausübt, während .
dem, dann freilich sehr viel stärkeren Einflüsse jener erst imV1 ,e
genden Jahrhundert unterlag. ol-

Zweites Kapitel.

Geistige Richtung' und Charakterbildung des
fünfzehnten Jahrhunderts.

Die Anfänge einer geistigen Bewegung liegen meistens sehr weit
von dem Ziele, zu dem sie schliesslich hinführen, sie scheinen oft
nach ganz andrer Richtung hinzuweisen. Das fünfzehnte Jahrhundert
war allerdings der Vorläufer der Reformation und der modernen
wissenschaftlichen Richtung, man würde aber sehr irren, wenn man
es sich von Opposition gegen die hierarchische Kirche oder gegen
die ascetische und naturfeindliche Tendenz des Mittelalters erfüllt
denken wollte. Es war durchaus friedlich und conservativ; man
dachte nur an Erhaltung und, wo es nöthig war, Wiederherstellung
der Kirche. Freilich hatten die Concilien, von denen man diese er-
wartete, sehr ungenügende Resultate gegeben. Das Schisma war be-
seitigt, die äussere Einheit der Kirche wieder erlangt, aber die Ab-
stellung der vielen Uebel und Missbräuche, über die man geklagt
hatte, war nicht einmal in Angriff genommen. Die Sittenverderbnis
und der Luxus der Geistlichen, die Gelderpressungen der Curie
blieben dieselben, oder wurden noch gesteigert. Allein man war der
Spannung müde; die lange Dauer jener Concilien, die Täuschungen,
die man erfahren, hatten die Hoffnung niedergeschlagen. Alle er-
sichtlichen Mittel waren erschöpft, man konnte glauben, es sei Gottes
Wille, dass man sich diesen Mängeln fügen müsse. Selbst ein so
bedeutender Gelehrter, wie der Cardinal Nicolaus von Cusa, de1'
auf dem Concil zur Opposition gehört hatte, war durch dasselbe so
tolerant geworden, dass er erklärte, sich selbst jüdische oder mu-
hammedanische Gebräuche gefallen lassen zu wollen, wenn sie zu
Eintracht der Gläubigen führten1). Ebenso dachten denn aucn
Meisten unter den Laien, obgleich aus sehr verschiedenen Grün .
Die Mehrzahl aus Bequemlichkeit und Leichtsinn. Religiöse IX

') Ritter, Geschichte der christlichen Philosophie, II. 6.
 
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