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Schnaase, Carl
Geschichte der bildenden Künste (Band 8): Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert — Stuttgart, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.1297#0089
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Erstes Kapitel.
Kirchlich-politische Gestaltung- des Abendlandes.

bchon das vierzehnte Jahrhundert lässt deutlich erkennen, dass
das System des Mittelalters sich überlebt hätte. Die Verhältnisse, aus
denen es hervorgegangen, bestanden nicht mehr, die Zwecke, auf die
es berechnet gewesen, waren annähernd erreicht oder als unerreich-
bar aufgegeben; statt dessen waren andere Bedürfnisse erwacht, für die
es keine Hülfe gewährte. Es setzte Völkermassen ohne feste natio-
nale Gliederung und ohne eigenthümliche Bildung voraus, für welche
die Kirche das einzige Band der Gemeinsamkeit, die einzige Quelle
geistigen Lebens war. Sobald neue Nationen mit eigner Sprache und
Literatur und mit verschiedenen geistigen und leiblichen Bedürfnissen
entstanden waren, welche sich zu grossen, nach mehr oder weniger
festen Gesetzen geregelten Körperschaften zusammenschlössen und
ihre Sonderinteressen mit Energie und Instinct verfolgten, war jenes
System in seiner ursprünglichen Gestalt nicht mehr haltbar, das
abendländische Gemeinwesen konnte nicht mehr unbedingt der Lei-
tung der Kirche folgen, diese musste suchen das Gebiet ihrer Wirk-
samkeit in andrer Weise zu begrenzen. Dies um so mehr, weil bei
dem allgemeinen Wachsen weltlicher Interessen auch sie nicht mehr
den Schein abstracter Reinheit bewahren konnte, der ihr bisher noch
erhalten war.

Die Verlegung der päpstlichen Residenz nach Avignon, welche
das Oberhaupt der Kirche in unverkennbare Abhängigkeit von der
französischen Krone brachte, das dadurch entstehende Schisma und
die in Folge dieser Wirren immer mehr um sich greifende Sitten-
 
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