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Schnaase, Carl
Geschichte der bildenden Künste (Band 8): Geschichte der bildenden Künste im 15. Jahrhundert — Stuttgart, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.1297#0384
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298

Französische Malerei des 15. Jahrhunderts

Hingabe an Natur und Wahrheit, die jetzt in der flandrischen ](u
herrschte, konnten und wollten die französischen Maler sich /]"
entschliessen. Sie konnten es nicht, weil ihnen das mystisch-rehgiö
Gefühl für die Natur, weil ihnen der ausgebildete Farbensinn fehu!
der in der Harmonie des Ganzen, in der Musik der Farbe Entschs
digung für die Mängel der Form findet. Es widerstrebte ihnen aber
auch, die menschliche Gestalt und die Hergänge in ihrer alltäglichen
Erscheinung darzustellen. Sie machten ideale Ansprüche, welchen di
niederländische Kunst nicht entsprach. Auch in Frankreich liebte
man den Naturalismus, aber nur als anmuthige oder neckische Naivetät
als leichte Erinnerung an den sinnlichen Reiz der Dinge, als Porträt
ähnlichkeit, mit einem Worte, so lange er dem Selbstgefühle schmeichelte
aber man begnügte sich nicht mit der Natur, glaubte nicht in ihr
Alles zu besitzen, fand es anstössig, auch ihre Zufälligkeiten und
Schwächen wiederzugeben und verlangte von der Kunst eine auser-
wählte, höhere, vornehme Natur, die Beobachtung der gesellschaftlich
anerkannten Schönheits- und Anstandsregeln. Schon am Ende des
dreizehnten Jahrhunderts hatten wir Spuren dieser Richtung bemerkt
(Band V S. 648); seitdem war sie durch die weitere Ausbildung der
monarchischen Tendenz und der höfischen Sitte vollkommen befestigt.
Daher zeigen denn die französischen Miniaturen aus der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts neben den Einwirkungen der Eyck'schen Schule sehr
bestimmte wiederkehrende Verschiedenheiten. Ihr Naturalismus ist
befangener, die Neigung, graziöse Gestalten zu geben, lässt ihm nicht
volle Freiheit, Die Gesichtszüge haben nicht die (volle) Mannigfaltig-
keit der Natur, gewisse Typen wiederholen sich bis zur Einförmigkeit.
Die Zierlichkeit der Bewegung steigert sich zuweilen bis zum Pre-
tiosen und Verschrobenen, der Ausdruck des Leidenschaftlichen ist
zwar klar und bestimmt, aber weil er maassvoll sein soll, zuweilen
matt. Die Zeichnung ist von höchster Sauberkeit und Präcision, auch
an den menschlichen Gestalten im Ganzen richtig, aber die Verhält-
nisse sind leicht zu schlank. Die Compositionen sind oft sehr figmen-
reich und meistens wohlgeordnet; die Kunst, Gruppen zu bilden und
zu sondern, das Gleichgewicht in der Anordnung zu bewahren, ist
den Malern dieser Schule sehr geläufig, macht aber nicht selten den
Eindruck des Steifen, Feierlichen, Officiellen. Tracht und Sitten sind;
in welcher Zeit auch die Darstellung spielen möge, durchweg die da-
mals üblichen, ivie bei den Niederländern. Die göttlichen und heilig«1
Gestalten werden, wie dort, durch Kleidung und Umgebungen, W*
sie der Luxus der Vornehmen liebte, geehrt. Aber an die Stelle der
Naivetät, in welcher dies dort erscheint, ist hier eine gewisse ped«1'
 
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