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David des Bargello von ca. 1410. Kopf, Hände, Füße und ein Teil
des — linken — Standbeins sind sichtbar. Wie die ganze Gestalt
sind auch die einzelnen Glieder von sehr langen, schmalen
Proportionen. Die Haare — kurze Locken — sind spitzig ge-
arbeitet, ähnlich wie an mittelmäßigen, römischen Porträtbüsten.
Der Kopf hat gotische Proportionen: der mittlere Teil des Ge-
sichts ist auffallend groß; die Nase lang und schmal, die Augen
groß, flach und mandelförmig, *) das Kinn schmal, fast spitz, der
Mund zierlich — klein. Das weiche, schmale Gesichtsoval ist
ohne Andeutung des Kieferwinkels; und ebenso gotisch wirkt
der lange, wenig artikulierte Hals. Aus gleichem Stilgefühl
wurden Hände und Füße geschaffen. Schmal sind die Pro-
portionen, weich und wenig ausdrucksvoll sind Modellierung
und Konturen; besonders an den langgezogenen Fingern und
Zehen. Bei beiden sind nur die mittleren Gelenke, deren Be-
weglichkeit von Blick und Gefühl am stärksten empfunden
wird, betont. Die unteren Gelenke, welche die Finger mit der
Hand, die Zehen mit dem Fuß verbinden, und die äußersten
sind fast ganz negiert. Hierdurch entsteht die weiche Hand-
bewegung und das unsichere Anfassen, welche für Donatellos
Frühwerk — wie für gotischen Stil überhaupt — so charak-
teristisch sind. Auch bei den nächstgeschaffenen Werken — dem
sitzenden Evangelisten im Dom, dem Markus, dem Baptista
des Campanile und dem S. Georg — ist dieser Mangel nicht
überwunden. Gering sind die Unterschiede in den Händen der
drei Jugendgestalten, doch die späteren sind ein wenig breiter
und derber, und das Handgelenk ist bei ihnen markiert. Bei
dem Marmor-David war an Stelle dieses Gelenkes nur ein
weicher Übergang. Bei den zwei älteren Männern sind die
Formen muskulöser und wuchtiger. Sie stehen der Durchbildung
nach — man beachte die Gelenke und Nägel — auf einer höheren
Entwicklungsstufe. Die Proportionen der äußersten Glieder
sind aber — besonders bei den Jünglingsgestalten des Jugend-
stils — von gotischer Schmalheit und die Bewegung ist auch
bei den Greisenstatuen noch sehr weich.
Im Anfang der zwanziger Jahre wird dieser Mangel über-
wunden. Kraftvoll, energisch wird das Halten der Schriftrollen
*) Ein Charakteristikum der Gotik so gut wie der archaischen Kunst
des griechischen Altertums.
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