SCHLUSSWORT
Über sechs Jahrzehnte breitet sich die Tätigkeit Donatellos.
Als er 1406 seine ersten selbständigen Arbeiten schuf, war für
die Literatur die Renaissance angebrochen, noch nicht aber für
die bildende Kunst. Als er starb, waren die ersten Strecken
längst überwunden. Sein Werk zeigt ein allmähliches Losringen
von dem oberflächlichen Formenkanon des Mittelalters und zu-
gleich eine stetig fortschreitende Eroberung der sichtbaren Welt.
An Relief und Freifigur findet er die entscheidenden Form-
probleme — und dann ihre Lösungen —, die des Raumes und
die der „Funktion“.
Der Flachbildnerei, welche die Grenzen von Malerei und
Plastik noch nicht gefunden hat, gibt er für die Darstellung
des einheitlichen Raumes die entscheidenden Lösungen. Für
die einzelne Figur findet er die reliefmäßige, d. h. die einheit-
liche, vollkommen klare Ansicht. Neuerer ist er auch auf dem
Gebiet der technischen Behandlung. Erst steigert er den malerisch
verschwimmenden Reliefstil bis zur letzten Vollkommenheit, dann
erweckt er den klassischen Reliefstil der griechischen Kunst zu
neuem Leben.
Bei der Freifigur kommt er von flach ausgebreiteter Stel-
lung zu dreidimensionaler Komposition. Von fast langweiliger
Gleichförmigkeit der Gliederhaltung zu großer Mannigfaltigkeit,
von Befangenheit in den Bewegungsmotiven zu Freiheit und
Natürlichkeit. Von der oberflächlichen Angabe der einzelnen
Stellung gelangt er zur klaren Präzisierung eines ganz be-
stimmten Augenblicks. Er entdeckt den einheitlichen Fluß in
jeder Körperbewegung. Besonders wertvoll sind seine Studien
zur Darstellung des Stehens. Dem Gewand hatte die italienische
Gotik selten eigenen Raumwert zuerkannt. Durch Donatello
wird es selbständig. Der Kampf zwischen der Klarheit der
Körperbewegung und der Stofflichkeit des Details, der Falten,
114
Über sechs Jahrzehnte breitet sich die Tätigkeit Donatellos.
Als er 1406 seine ersten selbständigen Arbeiten schuf, war für
die Literatur die Renaissance angebrochen, noch nicht aber für
die bildende Kunst. Als er starb, waren die ersten Strecken
längst überwunden. Sein Werk zeigt ein allmähliches Losringen
von dem oberflächlichen Formenkanon des Mittelalters und zu-
gleich eine stetig fortschreitende Eroberung der sichtbaren Welt.
An Relief und Freifigur findet er die entscheidenden Form-
probleme — und dann ihre Lösungen —, die des Raumes und
die der „Funktion“.
Der Flachbildnerei, welche die Grenzen von Malerei und
Plastik noch nicht gefunden hat, gibt er für die Darstellung
des einheitlichen Raumes die entscheidenden Lösungen. Für
die einzelne Figur findet er die reliefmäßige, d. h. die einheit-
liche, vollkommen klare Ansicht. Neuerer ist er auch auf dem
Gebiet der technischen Behandlung. Erst steigert er den malerisch
verschwimmenden Reliefstil bis zur letzten Vollkommenheit, dann
erweckt er den klassischen Reliefstil der griechischen Kunst zu
neuem Leben.
Bei der Freifigur kommt er von flach ausgebreiteter Stel-
lung zu dreidimensionaler Komposition. Von fast langweiliger
Gleichförmigkeit der Gliederhaltung zu großer Mannigfaltigkeit,
von Befangenheit in den Bewegungsmotiven zu Freiheit und
Natürlichkeit. Von der oberflächlichen Angabe der einzelnen
Stellung gelangt er zur klaren Präzisierung eines ganz be-
stimmten Augenblicks. Er entdeckt den einheitlichen Fluß in
jeder Körperbewegung. Besonders wertvoll sind seine Studien
zur Darstellung des Stehens. Dem Gewand hatte die italienische
Gotik selten eigenen Raumwert zuerkannt. Durch Donatello
wird es selbständig. Der Kampf zwischen der Klarheit der
Körperbewegung und der Stofflichkeit des Details, der Falten,
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