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beginnt. In dem ersten Versuche — S. Ludwig in S. Croce —
siegte der einseitige Naturalismus des Gewandvolumens. Dann
wird durch das dünne Gewand — bei schweren Stoffen durch
günstige Drapierung — und durch Aufgeben des kleinlichen
Detailnaturalismus die entscheidende Klarheit der Gesamt-
erscheinung wiedergefunden. Doch nimmt die stoffliche Charak-
teristik am Gewand, am Fell, am Kissen, an der Rüstung und
am Schmuckdetail stetig zu.
Die formale Durchdringung der einzelnen Teile und die
Oberflächenbehandlung am menschlichen Körper wird reali-
stischer, das heißt intimer und feiner, jede Form wird immer
klarer nach ihrer inneren Bedeutung erkannt.
Das sind Donatellos Eroberungen rein formaler Art. Die
psychologische Vertiefung geht ihnen parallel. Immer intensiver
und feinfühliger durchdringt der Meister den geistigen Gehalt
der darzustellenden Charaktere; immer stärker enthüllt sich
ihm der innere Sinn, der dramatische Inhalt der heiligen Ge-
schichten. Niemals rastet er auf Gefundenem. Er ist das Bild
des beständigen Ringens empor zur Vollendung, bis schließlich
die Schaffenskraft erlahmt, doch die Intensität des Gefühls sich
abermals steigert. Da zerbricht der dramatische Inhalt die
künstlerische Einheit. Doch gilt das nur für die letzten Jahre.
Hier aber steht sein Werk als Ganzes vor uns, die Arbeit von
zwei Menschenaltern. In ihr liegt die Tat Donatellos. Was
bedeutet sie für die zeitgenössische Kunst? Was bedeutet sie
heute für uns?
Die aufgezählten Eroberungen formaler und psychologischer
Art dürften nicht Eroberung der sichtbaren Welt genannt werden,
wäre Donatello nicht der Pfadfinder, der Entdecker all dieser
Probleme. Ghiberti und Luca della Robbia lernen von ihm.
Voran gehen sie — so scheint mir — in keinem Versuch formaler
Art und keiner hat jene Probleme so tief gefaßt wie er. Nur
einzelne Nachfolger im Quattrocento — Ant. Pollajuolo und
Verrocchio — haben es zu einer Durchbildung der äußeren
Form gebracht, wie sie in Donatellos Spätwerken vorhanden
ist. Der Leidenschaft seiner Erzählungskunst aber ist nur einer
nahe gekommen, der ältere Zeitgenosse von Siena: Jacopo della
Quercia. Doch erreicht auch er nicht den erschütternden Pathos
der donatellesken Greisenwerke.
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