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Schudt, Ludwig
Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 15: Wien, München: Schroll, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.48523#0399
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Schlußwort

klassischen Meister in ihren Arbeiten zu vereinigen und damit die Malerei ihrem Höhepunkt zuzuführen
und mit der Bildung einer ausgedehnten Schule daselbst eine Tradition zu schaffen, die durch anderthalb
Jahrhunderte lebendig bleiben sollte. Durch die Tätigkeit Annibale Carraccis und seiner Meisterschüler
Domenichino, Guido Reni, Lanfranco und Guercino in Rom und Neapel wurden diese Errungenschaften
dorthin verpflanzt, durch Pietro da Cortona und Andrea Sacchi weiter ausgebildet und von Carlo
Maratta bis ins beginnende Settecento fortgesetzt, während in Neapel durch die Wirksamkeit Luca
Giordanos, Francesco Solimenas, Paolo de Matteis, Giacomo del Pos und Sebastiano Concas ein weiteres
Zentrum malerischen Schaffens entstand. Daneben wirkte die Tradition Venedigs weiter, das im
18. Jahrhundert in Piazzetta und Tiepolo nochmals zwei Meister von überragender Bedeutung hervor-
brachte. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbreitete sich jedoch das Empfinden, daß nach diesen außer-
gewöhnlichen Leistungen der Höhepunkt des künstlerischen Schaffens überschritten war; man stellte mit
Bedauern den Abstieg fest und blickte mit Stolz auf die großen Schöpfungen der Vergangenheit.
Diese Interessengebiete überschnitten und ergänzten sich. Kein Besucher des Landes war fähig, alles in
sich aufzunehmen, und es hing von seiner persönlichen Veranlagung ab, welchen Dingen er den Vorzug
geben wollte. Auch wandelten sich die allgemeinen Anschauungen im Verlauf der Zeit, ohne daß es aber
möglich wäre, genaue Daten anzugeben. Immerhin geht aus dem Tenor der Berichte hervor, daß gegen
Ende des 16. und in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts die geschichtlichen und staatspolitischen
Vorgänge im Vordergründe des Interesses standen, außerdem machte sich in diesen Jahren eine mitunter
fast kindlich anmutende Freude an Festen und Zeremonien bemerkbar. Während sich die Beobachtungen
über den Charakter und das religiöse Leben der Italiener ziemlich gleichmäßig in allen Schriften vor-
finden und die Bestrebungen nach wissenschaftlichem Austausch stets mit großer Intensität verfolgt
wurden, trat etwa gegen Mitte des 17. Jahrhunderts eine stärkere Anteilnahme an den Werken der
bildenden Kunst zutage. Unter den berühmten Lustbarkeiten des Karnevals fanden jetzt die Musik- und
Opernaufführungen steigende Beachtung und erhöhten in Rom, Venedig und Neapel dessen Glanz sehr
erheblich. Hatte bisher das Interesse der Kenner so sehr den antiken Monumenten gegolten, daß man an
dem zeitgenössischen Kunstschaffen fast teilnahmslos vorüberging, begann man sich jetzt mehr und mehr
mit den Schöpfungen der Gegenwart und der unmittelbaren Vergangenheit zu beschäftigen.
Unter den Städten Italiens übte Rom die stärkste Anziehungskraft aus: „Ceterum urbs Roma Terrarum
Domina, urbium Regina, flos atque oculus Italiae, orbisque compendium pro dignitate laudari & describi
non potest: uti quae est Arx omnium gentium: theatrum ingeniorum, Domicilium virtutis, imperii, digni-
tatis ac fortunae, patria legum omniumque hominum, fons disciplinarum, Sacerdotii & justitiae, Religionis
caput & norma, & veritatis sedes aeterna.“1 Denn, wie aus diesen schönen Worten eines unbekannten
Verfassers hervorgeht, bot es die vollständigste Zusammenfassung alles dessen, was man für sehens- und
bemerkenswert hielt. Die zweitausendjährige Geschichte der Ewigen Stadt gewährte einen reichen
Schatz historischer Belehrung, und der Staatswissenschaftler fand in dem Studium des Verwaltungs-
systems der Römischen Kurie, das in gleicher Weise die Stadt Rom wie die gesamte christliche Welt
umfaßte, Gelegenheit, seine Kenntnisse zu erweitern. Die päpstlichen Funktionen mit ihrem Prunk, die
Chinea, die Beleuchtung der Peterskuppel und das Feuerwerk auf der Engelsburg sowie die meist mit
einer ungewöhnlichen Prachtentfaltung verbundenen Einzüge der ausländischen Botschafter bewegten
sich in derselben Richtung und verfehlten ihren Eindruck auf den Beschauer nicht. Schließlich verfügte
1 Im übrigen kann Rom, die Herrscherin aller Länder, die Königin der Städte, Blume und Auge Italiens und Inbegriff der
Welt, nicht nach Gebühr gelobt und beschrieben werden; der Sammelpunkt der Geister, der Wohnsitz der Tugend, des
Kaisertums, von Würde und Glück, das Vaterland der Gesetze und aller Menschen, die Quelle der Wissenschaft, des
Priestertums und der Gerechtigkeit, Haupt und Gesetz der Religion und ewiger Sitz der Wahrheit. Descriptio 1650, S. 87.
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