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Schudt, Ludwig
Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 15: Wien, München: Schroll, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.48523#0401
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Schlußwort

Ähnlichem Interesse begegneten Persönlichkeit und Hofhaltung der Großherzöge von Toskana. Florenz
fand als Stadt wegen seiner schönen Lage und seiner graden, gut gepflasterten Straßen viel Anklang, doch
galten seine Bauten als etwas antiquiert. Die wuchtigen Massen seiner Quattrocentopaläste entsprachen
nicht dem herrschenden Geschmack, wenn man auch nicht verkannte, daß sie für ihre Zeit ungewöhnliche
Leistungen darstellten. Im allgemeinen brachte man der ruhigen Stadt am Arno ebensowenig Vorliebe
entgegen wie dem menschenleeren Pisa, in dessen Straßen das Gras wuchs, und Siena, dessen mittelalter-
liche Bauten und unübersichtliche krumme Straßen mit ihren starken Niveauunterschieden man wenig
schätzte, das man aber als den wichtigsten Punkt auf der Reise von Florenz nach Rom nicht vermeiden
konnte, dessen gotischer Dom jedoch für die geringen Reize des Aufenthalts einigermaßen zu entschä-
digen vermochte.
Eine besondere Stellung nahm von der Mitte des 17. Jahrhunderts ab Bologna ein, das durch die Tätig-
keit der Carracci und ihrer Schule zu einem der wichtigsten Plätze des malerischen Schaffens geworden
war und als die eigentliche Hohe Schule der Malerei gepriesen wurde. Daher galt ein Aufenthalt von
mehreren Tagen daselbst für unerläßlich, wenn auch die Backsteinbauten der Stadt, die man der Marmor-
architektur gegenüber als minderwertig ansah, kein übermäßiges Gefallen fanden. Der Fleiß der betrieb-
samen und handelstüchtigen Einwohner fand allgemeines Lob, die Stellung der Stadt innerhalb des
Kirchenstaats und ihre Verwaltung durch den päpstlichen Legaten wurde regelmäßig studiert und
beschrieben, und groß war der Anteil, den man an dem intensiven wissenschaftlichen Leben der berühm-
ten Universität nahm, die sich in dem Institut eine Arbeitsstätte geschaffen hatte, die wegen ihrer
beispielhaften Anlage von den Gelehrten ganz Europas aufgesucht wurde.
Mailand, die Metropole der Lombardei und Oberitaliens, besaß in seinem Dom das größte Gotteshaus
Italiens nach St. Peter und bot dem Gelehrten wie dem Kunstfreund durch die umfangreichen Samm-
lungen der Ambrosiana und des Museo Settala eine Fülle von Anregungen. Das Castello Sforzesco und
das Hospital galten von jeher als Meisteranlagen ihrer Art, während die übrige Architektur der Stadt
mit ihren ohne richtigen Plan angelegten krummen Straßen und den architektonisch wenig gegliederten
massigen Palästen sich nur geringer Beliebtheit erfreute. Große Achtung brachte man der ungewöhnlich
tüchtigen und arbeitsamen Bevölkerung und ihrem Fleiß, den man in allen Werkstätten und Läden
beobachten konnte, entgegen und bewunderte den die Stadt belebenden starken Handelsverkehr. Ihre
Verwaltung durch die spanischen und österreichischen Gouverneure, die letzteren zum Teil sehr hervor-
ragende künstlerisch und wissenschaftlich interessierte Persönlichkeiten, war gleichfalls ein Gegenstand
der Beobachtung.
Genua, gleich berühmt durch seine herrliche amphitheatralische Lage am Meer wie durch die prunk-
vollen Paläste der Strada Nuova und Via Balbi, Gipfelleistungen des italienischen Profanbaus, war
wegen seiner ausgedehnten Handelstätigkeit in aller Munde. Die Verwaltung der Republik, die Stellung
und Bedeutung des Dogen sowie das bei seiner Wahl befolgte Verfahren, ihre verschiedenen Ratsgremien
und der Stand ihrer Finanzen beschäftigten die Gemüter in nahezu dem gleichen Maße wie in dem
ungleich berühmteren Venedig.
Dem starken Interesse, das man an Verfassungs- und politischen Fragen nahm, entsprang es, daß die
kleinen Republiken Lucca und San Marino häufig besucht wurden, wobei Lucca viel Lob wegen seiner
ausgezeichneten Regierung und des daraus resultierenden Wohlstands seiner Einwohner zuteil wurde.
Endlich ist noch Loretos zu gedenken, das als Aufbewahrungsort der Santa Casa von allen Fremden
.aufgesucht wurde und infolge seiner geographischen Lage eine wichtige Station auf dem Wege nach Rom
bildete. Ein Ort tiefer religiöser Erbauung, hatte es durch die Architektur seiner Kirche, das Marmor-
gehäuse der Santa Casa, das als eine der vollkommensten Arbeiten der italienischen Bildhauerei

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