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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0013
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1-3

wo dieser nach der Beischrift Hi wart der marlcis Jcümg
Jcarlles gJteßnde1) ~ den "Wilhelm von Oranse zu seinem
Gefolgsmann, Dienstmann macht. Die Situation brachte es
mit sich, dass wir hier den Kaiser nicht en face sehen, son-
dern in Profil an sieht, was wohl mit dem Unvermögen des
Malers zusammenhängen mag, der eine derartige Scene nicht
anders darzustellen vermochte.

Das Bild König Wenzels von Böhmen, No. 4 in der
Manessischen Sammlung, zeigt zwar eine andere Behandlung
der Gewandung des Königs, wie überhaupt eine reichere
Kleidung, im Uebrigen ist aber auch hier das Steife und Ce-
remoniöse in vollem Masse zum Ausdruck gelangt, und zwar
nicht nur in der Person des Königs, sondern auch in der
Anordnung seiner Umgebung, so dass es füglich an dieser
Stelle besprochen werden kann. Es stellt Wenzel IL (1278—
1305)2) dar, inmitten seiner Vasallen thronend, und rührt von
der Hand des ersten Nachtragmalers unserer Handschrift
her3). Der auf einem Sessel thronende Fürst hält in der
Rechten ein goldenes Lilienscepter, während er mit der aus-
gestreckten Linken, als Reichserzschenk, einen Pokal aus den
Händen eines rechts vor ihm stehenden Vasallen entgegen-
nimmt. Das Haupt schmückt eine Krone; das Gesicht er-
scheint jugendlich mit leichtem Bartwuchs und von üppig-
unter der Krone hervorwallenden blonden Locken umgeben.
Die Gewandung zeigt, wie bereits bemerkt, eine andere Dra-
perie als bisher. Die Schultern umhüllt ein goldener Brokat-
kragen. Das pelzgefütterte Obergewand aus blauem Stoff mit
breiten schrägen Silberstreifen ist an der rechten Seite ge-
schlitzt, so dass ein Teil desselben über den abgestemmten

1) yhesinde, eigentl. Weggenosse; ahd. sind, sinth m. (a) Weg,
Richtung; amhd. mhd. (selten) sint, — des stm., md. (entstellt) sin Weg,
Gang, Reise, Fahrt; Richtung, Seite; got. sinths st. m., Gang, Mal; nur
im Dat. Sg. sintha und PI. sintham belegt und zur Bildung der Zahl-
adverbien auf die Frage: wievielmal? dienend; vgl. M. Heyne, Wörter-
buch zum ülfilas S. 301.

2) Zangemeister, Die Wappen, Helmzierden und Standarten der
grossen Heidelb. Liederhandschrift, 1892, S. 1.

3) Vgl. Oechelhaeuser, Miniaturen H. S. 100—102.
 
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