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ungebärdigen Naturelemente, die Proportionen der Menschenfiguren und
ihr Verhältnis zu den Ranken und Bäumen sind so verwandt, dass bei
beiden Werken etwas wie eine gemeinsame Stimmung entsteht. Mit
Recht bezeichnet Charles T. Little diese Tendenz als etwas völlig Neuar-
tiges in der hochmittelalterlichen Kunst des Westens.317 Dazu kommt,
dass das antikische Standmotiv des David mit lässig gekreuzten Unter-
schenkeln im untersten Drittel der Platte im Standmotiv des Wächters
unterhalb des Herrschers auf der Situla eine genaue Entsprechung fin-
det. Diese Tafel aus dem Umkreis der Magdeburger wie der Mailänder
Arbeiten zeigt also Charakteristika, die sie im Bereich der Naturdarstel-
lung wie durch dieses Standmotiv mit der Aachener Situla verbinden.

Die zwei derselben Werkstatt entstammenden Kästchen in Quedlinburg
und München318 lassen ebenfalls eine strukturell tiefer gehende Ver-
wandtschaft mit der Situla erkennen (Abb. 29, 54)319: Sie tragen als
Hauptmotiv Standfiguren der Apostel zwischen von Velen umhüllten Säu-
len, die von einer klar aufgebauten Architektur umgeben sind. Alle Figu-
ren haben ausreichend Raum um sich herum, gleichzeitig sind sie mit
illusionistischen und momentanen Elementen ausgestaltet: Das Schritt-
motiv mit überkreuzten Beinen, das Ausflattern der herunterhängenden
Gewandteile oder der Vorhänge, die Durchbrechung der Frontalität. Der
Körper der Figuren modelliert sich unter dem Gewand durch. Nebenein-
ander kommen hier Elemente des Zentralfrieses und des Frieses mit den
Kriegern auf der Situla vor. Vom Aufbau her mit der Situla vergleichbar
ist auch, wie eine kleinteiligere Oberzone, wo in den Bogenfeldern der
Arkaden die Tierkreiszeichen eingefügt sind, über den Standfiguren an-
gebracht ist. Als verwandtes Detail erscheint hier der Sagittarius als Bo-
genschütze, der von seiner Haltung her Ähnlichkeit mit demjenigen auf
der Situla hat.320 Engere Parallelen in der Figurenbildung sind freilich
nicht zu ziehen.

Die Frage nach Datierung und Lokalisierung dieser Kästchen erhält über-
zeugende Anhaltspunkte durch stilistische Parallelen mit im Kloster Fulda
lokalisierten Handschriften und weiteren mit Fulda verknüpfbaren Objek-
ten, die ihrerseits auf verwandte Aspekte der Situla verweisen. Wie
schon Goldschmidt bemerkte und Weitzmann aufgriff321, ist ein Charak-
teristikum der Fuldaer Miniaturen ihr architektonisch durchstrukturierter,
etagenartiger Aufbau. Mit Vorliebe platzierte dieses Skriptorium Szenen
zwischen von Säulen getragenen Architraven kästchenartig übereinan-
der, ein Spezifikum, das sich auch bei Elfenbeinreliefs dieser Provenienz
findet (Abb. 52). Auch der Figurenstil stimmt bei Handschriften und El-
fenbeinarbeiten überein.

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