Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Anmerkungen. II. S. 24—30.

753

Richtigkeit des letzten Satzes vermag ich nur mit Einschränkungen anzuerkennen.
Mindestens was den eigentlichen Rechtsgang anlangt, bin ich der Uebcrzeugung (und
hoffe dicselbe im Text begründet zu haben), daß der particulare Proceß selbständig
auf nationaler Grundlage gegen den gemeinen Proceß reagirt, ihn beeinflußt und
zuletzt verdrängt hat.

II.

2-L. Die bezogene verdienstliche Schrift von Kleinfeller giebt zum ersten
Male eine verhältnißmäßig vollständige Uebersicht über die particulare Proceßgesctz-
gebung namentlich des 16. Jahrhunderts. Trotzdem ist noch lange nicht (wie der
Verfasser auch selbst hervorhebt) die gesammte Gesetzgebungsarbeit jener Zeit fest-
gestellt. Jch theile durchaus Kleinsellers Ansicht, daß zu dem gewaltigeu Zeit-
aufwande, den weiteres Suchen erfordern müßte, die wissenschastliche Ausbeute in
keinem Verhältniß stehen würde. Die zwischen den beiden Haupttypen des romanisch-
canouischeu und des sächsisch-deutschen Processes liegenden Combinationen stufeu sich
in mannigfaltigster Weise ab, je nach der Neiguug und Energie des Gesetzgebcrs
und wohl auch je nach den von ihm benutzten Vorbildern. Die einzelnen Ab-
stufungen als solche bieten nicht immer größeres Jnteresse. Besonders sorgfältig
und durchdacht ist die Arbeit jener Zeit nicht, mau schrieb gern ab, wenn man zu
romanisiren wünschte. Deshalb würde auch eine sorgfältige geuealogische Sonderung
und Gruppirung der zahlreichen Gerichtsordnungen schwerlich von Nutzen sein.
Kleiufeller unterscheidet z. B- bei den romanisirenden Ordnuugen 1. solche, die das
Gebot der Articulirung ausstellen (4 Arten: Articulirung der Klage, nach der Litis-
contestation, nur bedingt sür den Fall nothwendiger Beweisaufnahme, nur in
wichtigeu Sachen) und 2. solche, die eine Articulirung nur zulassen (auch das wieder
unbedingt oder bedingt). Jch glaube nicht, daß damit viel gewonneu ist. Oft ist
es auch bedenklich, das eine und andere Gesetz iu diese oder jene Kategorie zu ver-
weisen; denn der Wortlaut der einzelnen Bestiminuug giebt nicht stets zuverlässige
Auskunst, leicht steht damit in Widerspruch eine audere Stelle des Gesetzes, auf Be-
seitigung solcher Widersprüche kam es den Versassern nicht an. Man wollte nur
den romanisch-canonischen Proceß lehren, ein jeder so gut ers verstand. Abrah am
Saur, der Marburger Advocat, ließ seine sür uns so wcrthvolle Sammlung.
seinen „schönen Ausbund" sicherlich nur zu practischcn Zwecken zusammendrucken:
die einzelneu Gerichtsordnungen, obwohl vielfach nicht nur im Wortlaut von ein-
ander abweichend, wurden in der Praxis offenbar als rss knnAlbil68 behandelt. —
Es war eben eine Uebergangszeit; die Klärung ergab sich erst später auf Grund der
in practischer Uebung des fremden Rechts gesammelten Erfahrungen.

37. Stobbe (II. 301) uimmt irrthümlich an, daß der vom romanischen
Artikelverfahren u. s. w. handelnde Abschnitt im Titel V der Nürnberger Reformation
aus „einer alteren (also doch wohl localen?) Gerichtsordnung aufgenommen" sei. —
Es handelt sich indessen um die Titel LIII, LIV, LV der Kammergerichtsordnung
v. 1500 (oben S. 75), welche in gleicher Weise auch in die baierische Gerichts-
ordnung von 1520 eingeschoben sind (oben S. 232, 233).

3V. Die selbständige richterliche Befugniß der Bürgermeister, wenn es sich
handelse „vmb bekentliche schulden" findet sich in sast allen bedeutenderen Städten,
sie hat sich namentlich in den Hansestädten bis ins 19. Jahrhundert erhaltcu (vgl.
z. B. oben S. 48 Franksurt a. M- u. S. 547 Hamburg). Daß schon srüh die
Neigung vorhanden war, jene nach altem Rechte (obeu S. 11) dem Richter zu-
stehende Besugniß erheblich zu erweitern, beweist der Laienspiegel, woselbst

Schwartz, Deutsche Civilproceßgesetzgebung. 4F
 
Annotationen