Amnerkmigen. VI. S. 362.
773
für den Fall ungenügendcr Beantwortung einzelner Klagebehauptungen. Zur Be-
gründung dieses Schrittes wird kurz bemerkp daß „dic Verordnung der gemeinen
Rechte, vermöge welcher der Ungehorsam des Beklagten, wenn er sich auf die Klage
gar nicht einläßll bloß damit gestrast wird, daß sein Stillschweigen für eine negative
Litiscontestation angenommen und der Kläger zum Bcweis seines Klaggrnndes zu-
gelassen wird, nicht nur eine unverantwortliche Verzögerung der Processe veranlaßt,
sondern auch oft mehr dem Kläger als dcm Beklagten zum Präjudiz gereicht"; und
daß „auch serner bisher manche streitende Partcheyen entweder aus Unachtsamkeist
oder weil sie ihrem Vortcheil gemässer erachtech aus erhebliche in dem Vortrag ihres
Gegentheils angeführte Umstände, sich garnicht, oder zweydeutig u. unbestimmt er-
kläret haben."
Die Hessen-Hanausche Hofgerichtsordnung v. 17. Januar 1747
stellt zwar als Negel beim Ungehorsam des Beklagten nur die Präclusion mit den
Einreden und Annahme verneinender Einlassung hin (Ktz 33, 34), gestattet aber aus
ausdrücklichen Antrag des Klägers nochmalige Ladung s. p. aonkssgt ot eonviett
und bei wiederholtem Ungehorsam Verwirklichung dicses Rechtsnachtheils (tz 35).
Läßt sich der Beklagte ein und bleiben einzelne Klagebehauptungen unbeantwortet,
so greift anscheinend stets die xioorm ooulsssi Platz (K 36). Der Bcweis wird xor
sorrtolitiurrr iritsrlooirtorium auserlegt und ist binnen zwei Monaten nach einge-
tretener Rechtskrast des Jnterlocuts zu introduciren (Ztz 77 u. 78). Gegenbeweis soll
14 Tage „nach erhaltener Lommurrioutiorr derer Urodutoriul-^rtiorrl" u. s. w. an-
getreten werden (§ 137). — Zu erwähnen ist noch dic Hanausche Untergerichts-
ordnung v. I. 17 64, mit einigen Abänderungen i. I. 1829 „zum vorläufigen
Gebrauche der Unter Gerichte des Großherzogthums Fulda von Neuem abgedruckt."
Das Verfahren ist regelmäßig mündlich zu Protokoll (Tit- VI, K 2). Es „sollen
bei den Unter-Gerichten — keine Advokaten u. Procuratores zugelassen
werden, sondern der Richter soll ohne deren Beyhilfe, der Parteien Nothdurft von
ihnen selbst zu vernehmen u. selbige zu wahren — von Amts wegen schuldig u. ge-
halten seyn"; er soll „hierbey allen Fleiß anwenden — um den ganzen Verlaus
der Sachen, mit allen erheblichen Umständcn, von den Parteyen —
vollständig heraus- und zu Protokoll zu bringcn" (§3). Den zum zweiten
Male säumigen Beklagtcn trifft die vom Gericht anzudrohcnde xoorrn oorrl688i
„wenn schon Kläger um die Androhung dieses x,rn6Prckioii insonderheit ausdrücklich
nicht gebeten hätte" (K 37). Derselbö Rechtsnachtheil kommt zur Anwendung bei nicht
genügcnd vollzogener Klagebeantwortung (tz 48). — Für das Stift Fulda war
übrigens schon i. I. 1720 eine V.O. erlassen worden, welche den Untergerichten ein
freies, summarisches mündliches Versahren vorschrieb. Es heißt daselbst u. a.: Der
Beamte „sclbst soll dem Theil so Zeugenschaft sühren will, wenn er keinen Anwalt
hat, die Hauptartikel entwerffen, ebenso dem anderen die nöthige O-srrEi'nl u. Sxooinl
Fragestücke" (16).
362 ff. Die kurhessische Proceßgesetzgebung im zweitcn Viertcl des 18. Jahr-
hunderts möchte man geradezu als vorbildlich betrachten sür das preußische Edict in
Bagatellsachen v. I. 1739 (oben S. 476 ff.) und sür den fridericianischen Proceß
vom Ende des vorigen Jahrhunderts: nicht nur wird mit aller Bestimmtheit, bci
Zurückdrängung des Anwaltstandes, der Richter zu amtlicher Erforschung „der wahren
Beschaffenheit des Vneti" angewiesen, sondern die so gerichtete Gesetzgebung sührt
trotzdem die xoorra, 60irk688i neu ein und stellt damit unbesangen aus gegensätzlichen
Proceßrechtsgedanken eine Verbindung her, die so oft mit Unrecht der preußischen
Allgemeinen Gerichtsordnung als Jnconsequenz vorgeworfen worden ist.
773
für den Fall ungenügendcr Beantwortung einzelner Klagebehauptungen. Zur Be-
gründung dieses Schrittes wird kurz bemerkp daß „dic Verordnung der gemeinen
Rechte, vermöge welcher der Ungehorsam des Beklagten, wenn er sich auf die Klage
gar nicht einläßll bloß damit gestrast wird, daß sein Stillschweigen für eine negative
Litiscontestation angenommen und der Kläger zum Bcweis seines Klaggrnndes zu-
gelassen wird, nicht nur eine unverantwortliche Verzögerung der Processe veranlaßt,
sondern auch oft mehr dem Kläger als dcm Beklagten zum Präjudiz gereicht"; und
daß „auch serner bisher manche streitende Partcheyen entweder aus Unachtsamkeist
oder weil sie ihrem Vortcheil gemässer erachtech aus erhebliche in dem Vortrag ihres
Gegentheils angeführte Umstände, sich garnicht, oder zweydeutig u. unbestimmt er-
kläret haben."
Die Hessen-Hanausche Hofgerichtsordnung v. 17. Januar 1747
stellt zwar als Negel beim Ungehorsam des Beklagten nur die Präclusion mit den
Einreden und Annahme verneinender Einlassung hin (Ktz 33, 34), gestattet aber aus
ausdrücklichen Antrag des Klägers nochmalige Ladung s. p. aonkssgt ot eonviett
und bei wiederholtem Ungehorsam Verwirklichung dicses Rechtsnachtheils (tz 35).
Läßt sich der Beklagte ein und bleiben einzelne Klagebehauptungen unbeantwortet,
so greift anscheinend stets die xioorm ooulsssi Platz (K 36). Der Bcweis wird xor
sorrtolitiurrr iritsrlooirtorium auserlegt und ist binnen zwei Monaten nach einge-
tretener Rechtskrast des Jnterlocuts zu introduciren (Ztz 77 u. 78). Gegenbeweis soll
14 Tage „nach erhaltener Lommurrioutiorr derer Urodutoriul-^rtiorrl" u. s. w. an-
getreten werden (§ 137). — Zu erwähnen ist noch dic Hanausche Untergerichts-
ordnung v. I. 17 64, mit einigen Abänderungen i. I. 1829 „zum vorläufigen
Gebrauche der Unter Gerichte des Großherzogthums Fulda von Neuem abgedruckt."
Das Verfahren ist regelmäßig mündlich zu Protokoll (Tit- VI, K 2). Es „sollen
bei den Unter-Gerichten — keine Advokaten u. Procuratores zugelassen
werden, sondern der Richter soll ohne deren Beyhilfe, der Parteien Nothdurft von
ihnen selbst zu vernehmen u. selbige zu wahren — von Amts wegen schuldig u. ge-
halten seyn"; er soll „hierbey allen Fleiß anwenden — um den ganzen Verlaus
der Sachen, mit allen erheblichen Umständcn, von den Parteyen —
vollständig heraus- und zu Protokoll zu bringcn" (§3). Den zum zweiten
Male säumigen Beklagtcn trifft die vom Gericht anzudrohcnde xoorrn oorrl688i
„wenn schon Kläger um die Androhung dieses x,rn6Prckioii insonderheit ausdrücklich
nicht gebeten hätte" (K 37). Derselbö Rechtsnachtheil kommt zur Anwendung bei nicht
genügcnd vollzogener Klagebeantwortung (tz 48). — Für das Stift Fulda war
übrigens schon i. I. 1720 eine V.O. erlassen worden, welche den Untergerichten ein
freies, summarisches mündliches Versahren vorschrieb. Es heißt daselbst u. a.: Der
Beamte „sclbst soll dem Theil so Zeugenschaft sühren will, wenn er keinen Anwalt
hat, die Hauptartikel entwerffen, ebenso dem anderen die nöthige O-srrEi'nl u. Sxooinl
Fragestücke" (16).
362 ff. Die kurhessische Proceßgesetzgebung im zweitcn Viertcl des 18. Jahr-
hunderts möchte man geradezu als vorbildlich betrachten sür das preußische Edict in
Bagatellsachen v. I. 1739 (oben S. 476 ff.) und sür den fridericianischen Proceß
vom Ende des vorigen Jahrhunderts: nicht nur wird mit aller Bestimmtheit, bci
Zurückdrängung des Anwaltstandes, der Richter zu amtlicher Erforschung „der wahren
Beschaffenheit des Vneti" angewiesen, sondern die so gerichtete Gesetzgebung sührt
trotzdem die xoorra, 60irk688i neu ein und stellt damit unbesangen aus gegensätzlichen
Proceßrechtsgedanken eine Verbindung her, die so oft mit Unrecht der preußischen
Allgemeinen Gerichtsordnung als Jnconsequenz vorgeworfen worden ist.