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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 2): Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München: Bruckmann, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.66815#0431
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Stereotomie (Steinkonstruktion). Technisch-Historisches.

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Indem somit dieses an den Tempel herangebildete System der Stein-
tektonik sich dem Civilbau anzubequemen hatte, gab es den Ausdruck
typisch-monumentaler Erhabenheit zum Theil preis, gewann aber dafür
die erforderliche Geschmeidigkeit, um der Baukunst auf ihrer mehr in-
dividuelle Mannichfaltigkeit des Ausdrucks erstrebenden Richtung zu
genügen. So öffnete sich ihm eine neue Bahn zu weiterer Fortbildung
nach der Richtung des leicht Dekorativen, anmuthig Reizenden, auf der
es zu seinem Ursprünge zurückkehrte, indem es wieder wurde, was es
bei den Pelasgern und Hetruskern gewesen war, nämlich gemischte Holz-
und Steintektonik. In den griechisch - italischen Städten Pompeji und
Herkulanum zeigt sich die dorische Weise noch an den Civilbauten als
die herrschende, aber nur Ein Tempel nach dorischem Kanon (der schon
zur Zeit des Unterganges von Pompeji Ruine war), wurde bis jetzt
gefunden.
Äusser diesen pompejanischen, nicht mehr restitutionsfähigen, dori-
schen Tempelspuren sind vielleicht nur noch die Ueberreste des Zeus-
tempels zu Nemea und die eines kleinen Niketempels neben dem Stadium
der von Epaminondas neu gegründeten Hauptstadt Messaniens, als Spät-
linge des dorischen Tempelstils, erwähnenswerth. 1
Denn die korinthische Weise war bereits in die Erbschaft der dori-
schen getreten, die in der That als realistisch-asiatisirende Modifikation
und in gewissem Sinne als eine Weiterbildung der dorischen Weise gelten
darf. (S. unter Korinthisches.)
Beispiele dorischer Weise aus der Spätzeit.
Zeustempel zu Nemea.2 Zeit der Entstehung nicht konstatirt.
Ungewöhnlich schlanke Säulen, leichtes Gebälk, bereits verflachte Details,
daher mit Recht der Spätzeit zugeschrieben.
1 Die eleusinischen Alterthümer, z. B. die unvollendete Vorhalle des Eleusiniums
und das Propylaion daselbst, deren ersteres vielleicht das unter Demetrius Phalereus
erbaute ist, das zweite aber wahrscheinlich aus Cicero’s Zeit stammt, wollen wir nicht
rechnen, da ihnen jegliche Eigenthümlichkeit abgeht und sie nur unvollkommene Ko-
pien attisch-dorischer Weise sind.
2 Eigene Messung. Weder Grundplan noch Details dieses Tempels sind in den
Werken richtig wiedergegeben.
Norm: 14,38
(12,63 + 3,344) = 15,974.
Oberer Durchm. = 0,809. Abakus — 2,16 Model, nur ein Siebentel der Breite
zur Höhe. Echinus niedrig und fast geradlinicht. Vier schwache weitgetrennte Reifen,
nur ein Halseinschnitt.
Semper, Stil. II. 27
 
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