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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 2): Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München: Bruckmann, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.66815#0491
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Metallotechnik (Metallarbeiten). Das Metall als dehnbarer Bildstoff. 477

ihrer Reihung absolut ist, aber für solche äussere Wirkungen nicht be-
steht, die eine andere Richtung haben. Ketten, welche letztere Be-
dingung nur halb erfüllen, d. h. die nur nach einer bestimmten Rich-
tung hin absolut geschmeidig sind, nennt man Bandketten, deren Ge-
brauch, neben den allseitig geschmeidigen, in den technischen Künsten
bis auf die ältesten Zeiten hinaufreicht. Sie waren stets, und sind noch,
wichtige Bestandtheile kriegerischer Ausrüstung, als Gürtel, Schulter-
und Halsbergen, Degenkoppeln und in vielen anderen Anwendungen. Die
Agraffen, d. h. die zum Oeffnen eingerichteten beiden Schlussglieder sol-
cher Bandketten, waren von Alters her Gegenstand besonderer Kunst und
dekorativer Ausstattung. (S. nebenstehende Skizze alt-italischer Agraffen.)
Betrachten wir untenstehendes Bruchstück einer griechischen Band-
kette, so ist das einzelne Glied Repräsentant des Ganzen (wahrscheinlich
ein Leibgurt), ein länglicht viereckiger, flacher Ring, nach dem Halb-
messer des Gürtelkreises im Bogen auswärts geschweift, mit dem Char-


Griechische Bandkette.

nierzapfen einerseits und der Gabel zur Aufnahme des nachbarlichen
Zapfens andererseits, in jeder Beziehung einfach und stilgerecht. Das
Ringglied ist seinerseits wieder Ring oder Rahmen. Auf ihn passt daher
Alles, was in den verschiedenen vorhergegangenen Hauptstücken über
Rahmen gesagt worden ist (besonders Proleg. S. XXVII. u. §§. 133,
134 u. 135 der Tektonik).
Der Ring ist als Glied der Kette für sich betrachtet eine einfache
(thetische) Einheit; es liegt aber nahe, dasselbe zu einer synthetischen
zu erheben, dem Rahmen (der Ringeinfassung) ein entsprechendes Ein-
gefasstes (ein Kleinod) zuzutheilen. Hiedurch gewinnt nicht nur das
Glied für sich, sondern auch die Kette als Ganzes, die aus mehreren
gleichen oder alternirend verschiedenen derartigen Einheiten besteht, an
Beziehung und Bedeutung.
Wir kommen so wieder auf Vorhergegangenes zurück und begreifen,
wie die Bandkette von je her als das reichste Motiv der Kunst des
Schmückens galt. In dieser Anwendung bietet sie eine unerschöpfliche
Quelle reichster und anmuthigster Erfindungen, über die sich noch Vieles
 
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