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Ausgrabungsbericht und Architektur — Ausgrabungen in Sendschirli, 2: Berlin: W. Spemann, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.49440#0014
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F. v. Lüschan.

grosse Säulen-Basen bemerkenswert!}, die beide die Form von Doppel-Sphinxen haben.
Die zu demselben Baue gehörigen zahlreichen Reliefs sind von verhältnissmässig geringer
Bedeutung. Um so grossartiger ist aber der bildnerische Schmuck des dritten und jüngsten
dieser Bauwerke, das im Grunde des Hofes den »West-Palast« mit dem »Ost-Palast« ver-
bindet und dessen nach Südwest gewandte Fa^ade beinahe 50 m lang ist. Die genauen
Aufnahmen Koldewey’s haben ergeben, dass dieser Bau, wenigstens soweit wir ihn bis
jetzt kennen, sich dem für alle übrigen Bauwerke in Sendschirli geltenden Schema kaum
anpassen lässt. Zunächst zerfällt er durch eine dem Ost-Ende der Facadc näher liegende,
nach Nordosten ziehende Hauptmauer in zwei völlig ungleiche Theile, von denen der öst-
liche hinter der nach vorn offenen Halle einen sehr grossen Saal und hinter diesem einen
weiteren kleineren Raum hat, während der westliche Theil eigentlich nur aus einer grossen,
nach vorn offenen Halle besteht, die nach hinten durch eine mit drei Thürmen versehene
Mauer von einem gepflasterten Hofe abgeschlossen ist, mit dem sie durch eine Thür in Ver-
bindung steht. Beiden diesen Theilen aber ist die in einer Flucht liegende Fa<?ade gemeinsam.
Am Ost-Ende dieser Faqade wurde ein Stein in situ aufgefunden, der in gutem
Relief das Bild eines thronenden Königs zeigt, der durch eine aramäische Inschrift als
Barreküb, Sohn des Panammü, bezeichnet ist. In den Verhandlungen der Berliner Anthro-
pologischen Gesellschaft (1894, S. 491) habe ich gezeigt, dass dieser Barreküb ein Zeit-
genosse des dritten Tiglatpilesar war, der von 745—727 regierte, und habe den Bau in
die Zeit um 735 verlegt. Seither hat E. Sachau1 die 1891 von mir gefundene Bauinschrift
desselben Königs herausgegeben und gezeigt, dass sie in die Jahre 731—727 fällt; jeden-
falls gehört also der Fa^adenbau dem Ende des achten vorchristlichen Jahrhunderts an, und
da die beiden Nachbar-Paläste nicht unwesentlich älter sind, so können wir den Bau mit
der Relief-Sphinx wohl noch in das neunte Jahrhundert verlegen. Seine Anlage ist ebenso
klar und durchsichtig, wie die aller übrigen bisher bekannten älteren Bauwerke von Sen-
dschirli. Völlig räthselhaft ist nur das jüngste Bauwerk, der Fa<?adenbäü, mit der an-
scheinend zu ihm gehörigen, wenn auch leider nicht in situ gefundenen Bauinschrift; diese
spricht von einem Winter- und einem Sommerbau. Geht es aber wirklich an, die lange
offene Halle im Westen als »Sommer-Palast« und die kleinere Halle mit dem Saale und
dem Hinterraum als »Winter-Palast« aufzufassen? Oder haben wir mit Sachau die ganze
Inschrift auf ein Mausoleum zu beziehen und in dem zugehörigen Baue ein grossartiges
Grabmal zu erkennen? Wahrscheinlich ist. dass die Anlage noch nicht vollständig aus-
gegraben ist und dass sie sich auf der Nord- und Westseite des hinter der Faqade liegenden
gepflasterten Hofes weiter fortsetzte. Besonders an der Westseite kann sie dann bis an
die Burgmauer gereicht haben, und Mauern, die dort schon 1890 bekannt und damals nur auf
untergeordnete Magazins-Räume bezogen wurden, könnten dann noch zu ihr gehören. Um
so auffallender wären dann freilich die drei Thürme, welche hinter der Halle gegen den
gepflasterten Hof zu vorspringen. Erst weitere Grabungen werden hier Klarheit bringen.
Die durchschnittliche Arbeiterzahl der vierten Campagne betrug 50 Mann täglich.
Eine auch nur annähernd richtige Schätzung der diesmal geleisteten Erdbewegung ist wegen
der sehr verwickelten Terrain-Verhältnisse kaum zu geben.’2
Auf Seite 9 meiner Einleitung sind unter den einzelnen Abschnitten, in welche die
Veröffentlichung der gesammten Ergebnisse getheilt werden sollte, auch zwei »Ausgrabungs-
1 Aramäische Inschriften, Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften 1896, XLI.
2 Ich benutze diese Gelegenheit, um ein Missverständniss aufzuklären, das, wie ich höre, eine von
mir auf Seite 7 des ersten Heftes gemachte Bemerkung hervorgerufen hat. Sie ging dahin, dass in der zweiten
und dritten Campagne in 43 Wochen mit durchschnittlich 114 Arbeitern fast die Hälfte »des Hügels« abgetragen
sei. Von der Masse des Hügels ist in den beiden Campagnen nur etwa ein Zwölftel abgetragen worden. Was ich
sagen wollte, war, dass damit die Hälfte der mir an dem Hügel noch nothwendig erscheinenden Erdbewegung
erledigt sei.
 
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