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Die Säulenbasis

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den eigentlich tragenden Theil des Fusses, während das, entweder ursprünglich oder in Folge
von Beschädigung aus 2 Hälften zusammengesetzte Ornament die Schmuckform war.
Die Gestalt der Basis ist also einem Geräthfuss entnommen. An einem solchen findet
auch die Form in zwangloser Weise ihre ursprüngliche Deutung. Es ist nichts Anderes, als
ein mit dem Geräthfuss durch eine Einschnürung verbundenes hallenförmiges Polster. Ihr
Urbild muss in primitiver Weise bei rein praktischer Verwendung ähnlich ausgesehen haben,
wie etwa der durch eine Umschnürung an das Ende eines Malstocks angeheftete Ballen.
Diese Herübernahme einer Architekturform aus der Möbel-Branche kann nicht ver-
fehlen, den Eindruck hoher Alterthümlichkeit und Ursprünglichkeit zu machen. Sie gewinnt
an Bedeutsamkeit, wenn man dabei erwägt, dass vielleicht in diesem Torus in letzter Linie
das Vorbild für den ionischen Basentorus und in der Einschnürung dasjenige für den ioni-
schen Trochilus erkannt werden darf. Dass bei der ionischen Basis die Theile in anderer
Reihenfolge über einander liegen, nämlich der Torus oben und der Trochilus unten, kann
kaum zu einem Anstoss Veranlassung geben. Diese an der Säule rein zum Ornament ge-
wordenen Architekturtheile wechseln in alter Zeit, nämlich ehe ein formbildendes Genie den
unabänderlichen Kanon festsetzte, ihre Beziehung zu einander in hohem Maasse. Erscheinen
doch die Thierköpfe vom hethitischen Postament in Persepolis am Capitell und richtet sich
doch auch die Verjüngung des Schaftes bei der späteren Säule nach oben, während sie in
Sendschirli ebenso wie in Mykene nach unten gerichtet auftritt. In ähnlicher Weise scheint
sogar der kugelförmige Torus der nordsyrischen Basis von Fliram als Capitell verwendet
worden zu sein und zwar in der Form des umschnürten Torus, wie er ähnlich an assyrischen
Basen auftritt. Eine Capitellform, die einigermaassen an die »Einschnürung« erinnert, nur
dass die Blätter in der, späteren Formen an dieser Stelle eigenen Weise bereits freier ge-
worden zu sein scheinen, zeigen die Traillen auf dem bekannten Elfenbeinrelief von Nimrud
(Perrot et Chipiez, II S. 129).
Der Torus selbst wechselt in Sendschirli sein Aussehen bedeutend. An den Thier-
postamenten ist er in der Richtung von oben nach unten mit wulstförmigen. Streifen ver-
sehen, gewiss eine Reminiscenz an die Falten des ursprünglichen Vorbildes. Am oberen
Palast tritt oben und unten ein seilförmiger Rundstab auf. Das Profil wechselt namentlich
bei den zahlreich nicht in situ gefundenen Exemplaren (Abb. 90) und ist bei diesen bald
bauchiger, bald eckig oder flach. In Nurkhanli fand sich ein Torus, der — sehr niedrig
— den westlichen Formen recht nahe kommt.
Von der arabischen Kunst ist die kugelförmige Basis auf dem Thier in später Zeit
noch beibehalten. So ruhen in der Alhambra die kugelförmigen niedrigen Füsse des Wasser-
beckens in ganz ähnlicher Weise auf dem Löwen, wie die calottenförmige Basis auf dem
Flügelthier in der Halle des unteren Palastes zu Sendschirli. Merkwürdig häufig tritt das-
selbe Motiv der Säule auf dem Thier im Mittelalter auf, wie an N. Pisano’s Kanzel im
Baptisterium zu Pisa, und es wäre nicht unmöglich, dass dieses Motiv auf demselben Wege
in den Westen gedrungen ist, wie die Hilani-Fa^ade der syrischen Basilika.
 
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