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Ausgrabungsbericht und Architektur — Ausgrabungen in Sendschirli, 2: Berlin: W. Spemann, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.49440#0126
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198

R. Koldewey

Rundstäbe an dem aufsitzenden Theil, also dem Schaft der Säule, erwartet. Der Schaft
war demnach durch doppelte (bezw. dreifache) Rundstäbe in 24 Streifen (Canneluren) getheilt.
Die unteren Blätter sind dagegen unten scharf eingezogen. Der Durch-
messer der Blattkränze beträgt unten 0.935 m, oben 0.959 m. Der mit
dem Steinblock zusammengehörige Schaft erweitert sich also auf die Höhe
von 0.791 m um 0.024 m und zwar bemerkenswertherweise nach oben.
Die Säule verjüngte sich demnach nicht unbeträchtlich nach unten,
so, wie die Säulen an der Tholos zu Mykene und am Löwenthor da-
selbst.
.Leider wissen wir nicht, zu welchem Gebäude das ausserordentlich
interessante Stück einst gehört hat. Für die Thierpostamente vom Hilanilll
scheint ihr Auflager zu klein (0.855 gegen 1.21 m). Doch wird man nicht
fehlgehen, wenn man sich den auf dem Thierpostament einst aufsitzenden
Block in derselben Form wie diese Einschnürung vorstellt. So sind wir
in der Lage, wenigstens die Form im Ganzen uns deutlich vergegen-
wärtigen zu können.
Ergänzt man sich den unteren Theil des nach unten sich verjüngenden
Säulenschaftes mit diesem Einschnürungsstück und dem calottenförmigen
Torus ohne das Thierpostament darunter, wie in Abb. 89 geschehen ist,
Form, die zunächst weniger an einen Architekturtheil erinnert, als viel-
mehr an einen Möbelfuss, nämlich das untere Ende eines Thronfusses.
In der That zeigt der Thron auf dem Königs-
orthostaten von der Halle des unteren Palastes an
c o,3° Jer betreffenden Stelle eine analoge Bildung; es ist
\ ein hoher Torus, der mit gekreuzter Umschnürung
fc.'i• / versehen ist, so dass er ungefähr das Aussehen eines
Pinienzapfens erhält. Ein bronzener Thronfuss, der in
Sendschirli gefunden ist, besteht bei

Abb. 89.


so erhält man ei






ähnlicher Gesammtform aus einem
Wechsel von Torus und Einschnü-
rung.
Die Einschnürung, fast genau
in derselben Gestalt wie der mäch-
tige Steinblock, zeigt das ausser-
ordentlich zierliche Ornament aus
Elfenbein, das auf Tafel XXXIII
oben rechts abgebildet ist.1 Es ge-
hörte ebenfalls gewiss einem Thron-
fuss an. Blattform, Rand- und
Rippenbildung sind fast genau die-



Abb. 90. Säulenbasen aus Sendschirli,
Nurkhanli und Fanfas.

selben wie die des Steins. Ein im
Querschnitt viereckiger Metallstab, der durch das Elfenbein hindurch-
reichte, bildete, wie man nach der erhaltenen Höhlung annehmen darf,
1 Ähnliche Formen an Möbelfüssen: Perrot-Chipiez, II Fig. 385, 386, 390.
Auch als Capitell eines Geräthfusses findet sich eine ganz ähnliche Form bei Perrot-
Chipiez, II Fig.383, aber mit dem bedeutsamen Unterschiede, dass die untere Blatt-
reihe, ebenso wie die obere, nach unten überfällt, eine Abweichung, welche zu den
der primitiven Kunst eigenen Variationen der Form in Folge von Umstellung des Or-
naments zu rechnen ist. Auf etwas Derartiges gehen gewiss die Blattkränze an den
persischen Capitellen zurück.
 
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