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Sieglin, Ernst von; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 1,1): Die Nekropole von Kôm-esch-Schukâfa — Leipzig, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27160#0041
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KAPITEL IV

■9

des alten Hafens die „Bäder der Kleopatra“ mit den sich anschliessenden grandiosen
Katakomben. „Gräber der Märtyrer“, nach denen man vor allem suchte, das heisst
Gräber aus der ersten Christenzeit, waren noch nicht gefunden, sie sind erst im Laufe
des letzten Jahrhunderts zutage getreten.

Der erste, welcher von der Nekropole der Rhakotis mit bestimmten Worten
spricht, ist der dänische Schiffskapitän Norden3, dessen alexandrinischer Aufenthalt in
die Jahre 1737—1738 fällt. Er wird nach einem Besuche der Pompejussäule zu einer
in der Nähe, in der Entfernung einer Viertelstunde, liegenden Katakombe geführt. Man
zeigt ihm ein offenes, langes, unterirdisches Grab, dessen Ausdehnung und Breite ihn an
die Katakomben Neapels erinnert. Aber Norden erwähnt auch schon die unheilvolle
Wühlarbeit der Eingeborenen, welcher allmählich die Reste des Altertums zum Opfer
lallen. Und von nun an hören wir regelmässig von den Arabern, die nach Gemmen, Münzen
und Skulpturen suchen und von anderen, noch schlimmer hausenden Eingeborenen,
welche die Katakomben und alles sonstige Mauerwerk der alten Stadt als Steinbrüche
systematisch ausbeuten, um Material für den Bau neuer Häuser zu gewinnen.

Den nächsten Bericht über die Gräber von Köm-esch-Schukäfa und zugleich über
ihre Zerstörer verdanken wir dem gelehrten Paduaner Vitaliano Donati (1759). Er
scheint sich sehr eingehend mit den alexandrinischen Nekropolen beschäftigt zu haben.
Gerade der unsrigen widmet er in einem handschriftlich in der Turiner Königlichen
Bibliothek aufbewahrten Tagebuche (Giornale del Viaggio d’Egitto) eine ausführliche
Beschreibung und erläutert sie durch Zeichnungen, die leider nicht erhalten sind4. Er
erzählt uns, dass die Steingräber und Antikensucher berufsmässig organisiert seien, dass
sie unter Eührung eines Scheiks ständen, der für die Verwertung des ausgegrabenen
Materials und der Funde zu sorgen habe, und bricht in die bewegliche Klage aus:
a quest’ ora credo poco terreno vi sia in Alessandria quak non sia stato passato sotto il
lavoro degli arabi.

Einige Dezennien später, im Jahre 1 778, sieht Sonnini5, etwa in derselben Gegend,
,,nicht weit vom Kanal“, ausgedehnte, in den weichen Felsen eingegrabene Galerien,
mit dreireihig übereinander geordneten Grabnischen und grösseren Sarkophagkammern.
Sie sind in trostlosem Zustande, zum Teil eingestürzt, zum Teil noch zugänglich, ein
Schlupfwinkel für Schakals und andere Tiere.

Dann beginnt mit den Arbeiten der französischen Expedition (1798—1802)° dje
Epoche der exakten Untersuchungen. Zunächst nur innerhalb des wieder blossgelegten
Stadions und an dessen Rändern, auf den umgebenden Schutthügeln. Man konstatiert
ohne Mühe in der langgestreckten, an den Enden halbkreisförmig abgerundeten Talmulde
zwischen der grossen Säule und dem gegenüberliegenden Hügel das Terrain der antiken
Rennbahn, findet auch Teile der Spina und beobachtet auf den angrenzenden Hügeln
„zahlreiche Säulentrommeln von Granit und andere Architekturfragmente“7. Vielleicht
waren es Trümmer, die man aus den Galerien der Rennbahn verschleppt hatte oder
Reste vom Oberbau der benachbarten Katakomben.
 
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