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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0283
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Die Organisation der Lombardei.

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rncht eingeführt. Abgesehen davon, daß die Justizpflege für die Jtaliener
riach der Natur der Sache uicht von Wien aus geübt werden kounte, souderu,
wenu auch widerwillig, nach Verona übertrageu werden mußte, fo wurde
das feltsame Schauspiel aufgeführt, daß Oesterreich in seiner Proviuz
eineu diplomatischen Agenten unterhielt, der gleich dem Gesaudten einer
sremden Macht mit der Wiener Staatskauzlei verkehrte. Nach einander
begleiteten.Sardagna, Graf Heinrich Bombelles — der spätere Erzieher
Kaiser Franz Josephs — und Menz, diesen, wie Metternich iu seinen Jn-
structionenP versichert, überaus wichtigeu Posten und betrieben von Mai-
land aus, unabhängig von deu Proviuzialbehörden, ihre halb diploma-
tischeu, halb polizeilichen Geschäste — Diplomatie und Polizei gingen
uuter Metteruich stets Hand in Hand — mit dem Staatskanzler, sowie
ruit den italienischen Cabineten, Ministern und Consuln.

Der Viceköuig war zu einer Puppe' herabgedrückt, die Gubernial-
präsidenten, die obersten Leiter der Provinzialbehörden waren in jämmer-
lichcr Weise an die höheren Vorschristen gebunden und in eine förmliche
Zwangsjacke gesteckt. Die Macht und der Einfluß der Wiener Regierung
ävurde dadurch nicht gestärkt. Theils die Nnkenntniß der Sprache, die
man nicht, wie die slawischen Mundarten, einfach todtmachen konnte, die
fich vielmehr auch in Wien Achtung verschaffte, theils und in noch viel hö-
herem Grade die Unwissenheit iu crlleu thatsächlichen Verhältuissen gestattete
den Wiener Hof- und Staatsräthen kein selbständiges Urtheil, überlieferte
sie in die Häude der Localbehörden, aber nicht der Männer, die hier an
der Spitze der Geschäfte standen und einen sreieren Geist, einen um-
sassenderen Ueberblick besitzen mochteu, sonderu der untergeordneten Be-
amten, der schlecht bezahlten, unwissenden, engherzigen, sittlich verkommenen
Trosses von Schreibern und Bütteln, der fich aus verhaßtcn Eingeborenen
nnd verachteten Fremden recrutirte, die Feindschaft, die ihm in den Weg
trat, mit der gleichen seindseligen Gesinnung heimzahlte und seine Leiden-
schast auch auf die Berichte übertrug, welche dann in Wien als Grund-
lage zur Beurtheilung der Zustände dienten. So trug das österreichische
Verwaltungssystem von allem Anfange her den Keim des Verderblichen
für Regierung und Volk in sich und brachte alle Verhältnisse in eine
gewaltsame Spaunung. Es war diese Polizeiwirthschast kein bloßer Ueber-
gang, sondern die dauernde Weise, Jtalien zu Leherrschen. Als Ueber-
gang hätte sie eine gewisse Eutschuldigung gehabt. Napoleons Aufenthalt
auf Elba* **)P, die Aussicht für seinen Sohn, den sreilich kleinen Thron von
Parma zu besteigen, unterhielt seine Anhänger und die Unzufriedenen

*) ckustlerio II. p. 278.

**) Es ist bekannt, daß der Glaube, Napoleon werde in Jtalien landen, unter den
Congreßmitgliedern weit verbreitet war. Welche Gerüchte über Napoleons italienische
Pläne umgingen, steht man am besten aus OgZtlereggü 6orre8p. III, 2, 210.
Springer, Oesterreich. I. 18
 
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