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Zll. 3. Die Regelung der Finanzen.
doch auf Abhilfe uicht ernstlich gedrungen. *) Sie wäre auch nicht ge-
währt worden, da man in Wien den primitiven Zustand der gewerblichen
Thätigkeit wenig fühlte, und aus allgemeinen politischen Grundsätzen
gegen den industriellen Fortschritt sich gleichgiltig verhielt. Die Abge-
schlossenheit und Beschränktheit der Provinzbevölkerung erschien als sichere
Eürgschast ihres ruhigen, zufriedenen Daseins, und gestattete der Regie-
rung noch fernerhin, das Shstem der Trägheit in der inneren Verwal-
tung fortzusetzen. Eisrig bemüht, jeden Keim der Unruhe, jede Abwei-
chung von dem bequemen Gewohnheitsleben zn beseitigen, merkte sie kaum
den Rückfall in die alten Reichszustände, welcher durch den Stillstand in
der Verwaltung bewirkt wurde. Die Staatseinheit litt in hvhem Grade
durch die acht verschiedenen Grundsteuershsteme, durch die mannigfachen
inneren Zolllinien. So oft cin Tiroler, ein Böhme, ein Galizier, ein
Lombarde seinen Steuergulden cntrichtete, trat die provinzielle Besonder-
heit vor sein Bewußtsein, merkte er die ganz lose, nur äuße^liche Zusam-
mengehörigkeit mit anderen Kronländern; so oft er Waaren vcrführte,
mußte er inncrhalb der Reichsgrenzen sich in einem fremden, anderen
Gesetzen nnterworfenen Lande wähnen. Es währte dreizehn Jahre, ehe
die 1815 Oesterreich zurückgegebenen Provinzen dem österreichischen Zoll-
gebiete einverleibt, die Tiroler und lombardische Zwischenlinie aufgelöst
wurden; Ungarn mit seinen Nebenländern, Dalmatien, Jstrien mit den
qnarnerischen Jnseln, die Freihäsen von Venedig, Triest, Fiume, Zengg,
Carlopago, Buccari, Portorö, das Gebiet von Brodh bildeten auch ferner-
hin abgesonderte, unter sich verschiedene Zollgebiete; die Zollordnung aber,
welche in den deutsch-slawischenProvinzen galt, hattekeinen wichtigerenZweck,
als den österreichischen Verkehr von jeder Berührung mit dem Auslande
sern zu halten. Sie stammte aus dem Jahr 1788, athmete den Geist
strengster Prohibition, setzte zweihundert verschiedene Waarengattungen
gänzlich außer Handel, und belegte unzählige andere, unter ihnen alle
Colonialwaaren, mit hohen Eingangszöllen. Die strenge Controle, welcher
die Einfnhr gleichzeitig unterworfen wurde, erwies sich allerdings dem
allseitig geförderten Schmuggel gegenüber als Lüge; doch zogen die Con-
sumenten keinen andern Vortheil aus demselben, als daß sie von den
unausstehlichen Zollplackereien besreit blieben. Die Schmuggelprämie kam
dem Zollsatze ziemlich nahe, die Waarenpreise bewahrten eine nur für
Wenige erschwingliche Höhe. Aber auch die Produccnten zogen aus der
mehr vom polizcilichen als vom handelspolitischen Standpunkte beliebten
Prohibition keinen Gewinn, die heimische Jndustrie versumpfte vielmehr
immer stärkcr, verlor den richtigen Jnstinkt für ihre wirkliche Kraft nnd
verirrte sich zum eigenen Schaden und zum Nachtheile der allgemeinen
Vgl. Keeß, Darstcllung des FaLriks- und Gewerbsweftns im österr. Kaiftr-
staate. Wien 1820—1823.
Zll. 3. Die Regelung der Finanzen.
doch auf Abhilfe uicht ernstlich gedrungen. *) Sie wäre auch nicht ge-
währt worden, da man in Wien den primitiven Zustand der gewerblichen
Thätigkeit wenig fühlte, und aus allgemeinen politischen Grundsätzen
gegen den industriellen Fortschritt sich gleichgiltig verhielt. Die Abge-
schlossenheit und Beschränktheit der Provinzbevölkerung erschien als sichere
Eürgschast ihres ruhigen, zufriedenen Daseins, und gestattete der Regie-
rung noch fernerhin, das Shstem der Trägheit in der inneren Verwal-
tung fortzusetzen. Eisrig bemüht, jeden Keim der Unruhe, jede Abwei-
chung von dem bequemen Gewohnheitsleben zn beseitigen, merkte sie kaum
den Rückfall in die alten Reichszustände, welcher durch den Stillstand in
der Verwaltung bewirkt wurde. Die Staatseinheit litt in hvhem Grade
durch die acht verschiedenen Grundsteuershsteme, durch die mannigfachen
inneren Zolllinien. So oft cin Tiroler, ein Böhme, ein Galizier, ein
Lombarde seinen Steuergulden cntrichtete, trat die provinzielle Besonder-
heit vor sein Bewußtsein, merkte er die ganz lose, nur äuße^liche Zusam-
mengehörigkeit mit anderen Kronländern; so oft er Waaren vcrführte,
mußte er inncrhalb der Reichsgrenzen sich in einem fremden, anderen
Gesetzen nnterworfenen Lande wähnen. Es währte dreizehn Jahre, ehe
die 1815 Oesterreich zurückgegebenen Provinzen dem österreichischen Zoll-
gebiete einverleibt, die Tiroler und lombardische Zwischenlinie aufgelöst
wurden; Ungarn mit seinen Nebenländern, Dalmatien, Jstrien mit den
qnarnerischen Jnseln, die Freihäsen von Venedig, Triest, Fiume, Zengg,
Carlopago, Buccari, Portorö, das Gebiet von Brodh bildeten auch ferner-
hin abgesonderte, unter sich verschiedene Zollgebiete; die Zollordnung aber,
welche in den deutsch-slawischenProvinzen galt, hattekeinen wichtigerenZweck,
als den österreichischen Verkehr von jeder Berührung mit dem Auslande
sern zu halten. Sie stammte aus dem Jahr 1788, athmete den Geist
strengster Prohibition, setzte zweihundert verschiedene Waarengattungen
gänzlich außer Handel, und belegte unzählige andere, unter ihnen alle
Colonialwaaren, mit hohen Eingangszöllen. Die strenge Controle, welcher
die Einfnhr gleichzeitig unterworfen wurde, erwies sich allerdings dem
allseitig geförderten Schmuggel gegenüber als Lüge; doch zogen die Con-
sumenten keinen andern Vortheil aus demselben, als daß sie von den
unausstehlichen Zollplackereien besreit blieben. Die Schmuggelprämie kam
dem Zollsatze ziemlich nahe, die Waarenpreise bewahrten eine nur für
Wenige erschwingliche Höhe. Aber auch die Produccnten zogen aus der
mehr vom polizcilichen als vom handelspolitischen Standpunkte beliebten
Prohibition keinen Gewinn, die heimische Jndustrie versumpfte vielmehr
immer stärkcr, verlor den richtigen Jnstinkt für ihre wirkliche Kraft nnd
verirrte sich zum eigenen Schaden und zum Nachtheile der allgemeinen
Vgl. Keeß, Darstcllung des FaLriks- und Gewerbsweftns im österr. Kaiftr-
staate. Wien 1820—1823.