Der volkswirthschastliche Verfall.
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Wohlfahrt auf falschen Fährten. Seit der Wiederlehr des Friedens rnehr-
ten sich alljährlich die Klagen über den stetigen Nückgang der Jndustrie.
Zum Theil lagen die Ursachen davon anßer dem Bereiche der Regie-
rungsgewalt und der Einsicht des einzelnen Fabrikanten. Die auf Grund-
lage der Continentalsperre errichteten Jndustrieanstaltcn waren natürlich
mit dem Wegfalle der ersteren dem Verderben preisgegeben. Die Wie-
dererösfnnng des Festlandes für den englischen Gewerbfleiß veränderte mäch-
tig alle Handelsverhältnisse und strafte alle früher giltigen Berechnun-
gen in Bezug auf Absatz Lügen.B Für die schlimmen Folgen dieser Er-
eignisse konnte man die Regierung nicht füglich verantwortlich machen.
Sie lähmte aber den Unterncbmungsgeist der heimischen Jndustriellen,
sie stellte nicht, soweit es au ihr lag, die Bediugungen her, um dieselben
zur Coneurrenz zu befähigen, und war stcts bereit, das beschränkte Vor-
nrtheil, die Trägheit zu unterstützen. So oft eine Klage über den ver-
ringerten Absatz heimischer Producte an ihr Ohr kam, glaubte sie durch
Einfuhrverbote helfen zu müssen. Sie untersuchte und prüfte nicht, sie
kümmerte sich nicht um die mittelbaren Ursachen jener Erscheinung, sie
sragte nicht, ob der heimische Jndustriezweig auch lebenssähig sei und
eine Unterstütznng auf Kosten der ganzen Nation verdiene: Prohibition
war und blieb die Summe ihrer Weisheit, das einzige Trost- und Heil-
mittel, welchcs sie kannte. Rohe amerikanische und ostindische Baumwolle
kam z. B. in Oestcrreich wegen der großen Versicherungsprämien und
Fracht höher zu stehen, als cnglische Gespinnste. Die heimischen Spin-
nereien konnten daher feinere Garne nicht mit Nutzen verarbeiten. Die
Regierung verbot die Einfuhr englischer Garne von No. 50 angefangen.
Sie erreichte dadurch nicht den Aufschwung der Baumwollspinnereien,
wohl aber, daß sich der Schmuggel auf die fertigen gleichfalls für die
Einfuhr verbotenen Baumwollstoffe warf und die Baumwollfabrikanten,
durch die aus das Färbematerial gelegten hohen Zölle ohnehin gedrückt,
in bittere Noth geriethen. Auch die naturwüchsigen Jndustriezweige, die
Liunenweberei, die Tuchfabrikation, die Glasindustrie u. s. w. geriethen
in Stockung und mußten sich mit dem Monopole im Jnlande kärglich be-
helfcn.**) Die Freunde dcr Regierung glaubten ctwas Preiswürdiges
von derselben zu berichten, wenu sie die Vortheile der Ausdehnung des
Die dadurch bewirkte Handelskrisis schildert anschaulich Adam Müller im Brief-
wechsel mit Gentz S. 2l3.
Die ausführliche Schilderung des Verfalls der mcistcn Jndustriczweige gibt
Kecsi in seinem oben erwahnten Werke. und zwar für die Leinwandindustrie N. S. 5t
und >68. sür die Wollindustrie S. 122 u. 233, für die Kattunmanufacturen S. 2t>3,
für die Papierfabrikation S. 590, für die Glasindustrie III. S.864 an. Ein concretes
Bild der Verkommenheit eines früher machtig Llühenden Gewerbcs zeichnet lin den Preis-
schriftcn der Jablonowskischen Gesellschaft 1861) Werner: Urkundliche Geschichte der
Iglauer Tuchmacherzunft.
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Wohlfahrt auf falschen Fährten. Seit der Wiederlehr des Friedens rnehr-
ten sich alljährlich die Klagen über den stetigen Nückgang der Jndustrie.
Zum Theil lagen die Ursachen davon anßer dem Bereiche der Regie-
rungsgewalt und der Einsicht des einzelnen Fabrikanten. Die auf Grund-
lage der Continentalsperre errichteten Jndustrieanstaltcn waren natürlich
mit dem Wegfalle der ersteren dem Verderben preisgegeben. Die Wie-
dererösfnnng des Festlandes für den englischen Gewerbfleiß veränderte mäch-
tig alle Handelsverhältnisse und strafte alle früher giltigen Berechnun-
gen in Bezug auf Absatz Lügen.B Für die schlimmen Folgen dieser Er-
eignisse konnte man die Regierung nicht füglich verantwortlich machen.
Sie lähmte aber den Unterncbmungsgeist der heimischen Jndustriellen,
sie stellte nicht, soweit es au ihr lag, die Bediugungen her, um dieselben
zur Coneurrenz zu befähigen, und war stcts bereit, das beschränkte Vor-
nrtheil, die Trägheit zu unterstützen. So oft eine Klage über den ver-
ringerten Absatz heimischer Producte an ihr Ohr kam, glaubte sie durch
Einfuhrverbote helfen zu müssen. Sie untersuchte und prüfte nicht, sie
kümmerte sich nicht um die mittelbaren Ursachen jener Erscheinung, sie
sragte nicht, ob der heimische Jndustriezweig auch lebenssähig sei und
eine Unterstütznng auf Kosten der ganzen Nation verdiene: Prohibition
war und blieb die Summe ihrer Weisheit, das einzige Trost- und Heil-
mittel, welchcs sie kannte. Rohe amerikanische und ostindische Baumwolle
kam z. B. in Oestcrreich wegen der großen Versicherungsprämien und
Fracht höher zu stehen, als cnglische Gespinnste. Die heimischen Spin-
nereien konnten daher feinere Garne nicht mit Nutzen verarbeiten. Die
Regierung verbot die Einfuhr englischer Garne von No. 50 angefangen.
Sie erreichte dadurch nicht den Aufschwung der Baumwollspinnereien,
wohl aber, daß sich der Schmuggel auf die fertigen gleichfalls für die
Einfuhr verbotenen Baumwollstoffe warf und die Baumwollfabrikanten,
durch die aus das Färbematerial gelegten hohen Zölle ohnehin gedrückt,
in bittere Noth geriethen. Auch die naturwüchsigen Jndustriezweige, die
Liunenweberei, die Tuchfabrikation, die Glasindustrie u. s. w. geriethen
in Stockung und mußten sich mit dem Monopole im Jnlande kärglich be-
helfcn.**) Die Freunde dcr Regierung glaubten ctwas Preiswürdiges
von derselben zu berichten, wenu sie die Vortheile der Ausdehnung des
Die dadurch bewirkte Handelskrisis schildert anschaulich Adam Müller im Brief-
wechsel mit Gentz S. 2l3.
Die ausführliche Schilderung des Verfalls der mcistcn Jndustriczweige gibt
Kecsi in seinem oben erwahnten Werke. und zwar für die Leinwandindustrie N. S. 5t
und >68. sür die Wollindustrie S. 122 u. 233, für die Kattunmanufacturen S. 2t>3,
für die Papierfabrikation S. 590, für die Glasindustrie III. S.864 an. Ein concretes
Bild der Verkommenheit eines früher machtig Llühenden Gewerbcs zeichnet lin den Preis-
schriftcn der Jablonowskischen Gesellschaft 1861) Werner: Urkundliche Geschichte der
Iglauer Tuchmacherzunft.
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