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L.. Der Orient. 4. Phvmzicn und Kleinnsirn.
beweisen ihre tüchtige technische Kraft. Eigentliche künstlerische Begabung kann aber, soweit
unscre Kunde reicht, bon den Phöniziern nicht behauptet werden. Die Tempelanlagen beschränken
sich auf einen geschlossenen Hof mit einem Tabernakel im Hintergrunde. Von dem Heiligtume
zu Byblos (Gebal) bietet uns eine römische Denkmünze (Fig. 74) eine beilüufige Anschauung.
Der Tempel links ist offenbar eine griechische Schöpfung. Echt phönizisch ist der geschlossene
Hof auf hohem Unterbaue mit dem eingehegten Spitzkegel im Jnnern. Also blieb auch die
späteste Entwickelung der Architektur auf primitivem Standpunkte stehen und führte zn keiner
reicheren Entfaltung des Raumsinncs.
Aehnlich verhält es sich mit der Skulptur im Stammlande, wobei freilich zu bedenken
bleibt, daß hier der Boden, durch Völkerströmungcn immer wieder ausgewühlt, nur noch eine
üußerst geringe Ergiebigkcit an Funden besiht. Die wenigen größeren von den ausgegrabenen
Fig. 73. Grabmal zu Amrith in Phönizien. der Aphrodite. (Donaldson.)
Skulpturresten lassen den selbständigen Formensinn vermissen. Deshalb konnten auch die Phö-
nizier auf die monumentale Kunst anderer Völker keinen Einfluß üben. Dagegen wirkten sie
auf das Schicksal des alten Kunsthandwerkes in hohem Maße bestimmend ein. Sie machten
den Bergbau gewinnreich, entwickclten den Verkehr in Metallen, sührten auf ihren Schiffen nene
Muster aus und ein und erweiterten namhast den Umkreis des Kunstsinnes bei den Anwohnern
des Biittclmeeres. Selbst erfahren in einzelnen Zweigen des Kunsthandwerkes, z. B. in der
Metallarbeit, vcrschafften sie der heimischen Kunstthätigkeit neue Absatzquellen; ebenso häufig
überbrachten sie die Werke älterer Kulturvölker, wie nameutlich des ägyptischen und des assyrischen,
in die dcm Verkehre neu gewonnenen Landschaften. So entstand überall, wo die Phönizier
verkehrten, ein Mischstil, der das Jnieresse des Ethnographen in höherem Grade fessclt, als das
des Kunsthistorikers, da ihm die Fruchtbarkeit abgeht. Wir machen die Beobachtung, daß assyrische
Knnstmotive, z. B. Tierkämpfe, Jagden, gern in ägyptische Fornien gehüllt wcrden, wie z. B. auf
L.. Der Orient. 4. Phvmzicn und Kleinnsirn.
beweisen ihre tüchtige technische Kraft. Eigentliche künstlerische Begabung kann aber, soweit
unscre Kunde reicht, bon den Phöniziern nicht behauptet werden. Die Tempelanlagen beschränken
sich auf einen geschlossenen Hof mit einem Tabernakel im Hintergrunde. Von dem Heiligtume
zu Byblos (Gebal) bietet uns eine römische Denkmünze (Fig. 74) eine beilüufige Anschauung.
Der Tempel links ist offenbar eine griechische Schöpfung. Echt phönizisch ist der geschlossene
Hof auf hohem Unterbaue mit dem eingehegten Spitzkegel im Jnnern. Also blieb auch die
späteste Entwickelung der Architektur auf primitivem Standpunkte stehen und führte zn keiner
reicheren Entfaltung des Raumsinncs.
Aehnlich verhält es sich mit der Skulptur im Stammlande, wobei freilich zu bedenken
bleibt, daß hier der Boden, durch Völkerströmungcn immer wieder ausgewühlt, nur noch eine
üußerst geringe Ergiebigkcit an Funden besiht. Die wenigen größeren von den ausgegrabenen
Fig. 73. Grabmal zu Amrith in Phönizien. der Aphrodite. (Donaldson.)
Skulpturresten lassen den selbständigen Formensinn vermissen. Deshalb konnten auch die Phö-
nizier auf die monumentale Kunst anderer Völker keinen Einfluß üben. Dagegen wirkten sie
auf das Schicksal des alten Kunsthandwerkes in hohem Maße bestimmend ein. Sie machten
den Bergbau gewinnreich, entwickclten den Verkehr in Metallen, sührten auf ihren Schiffen nene
Muster aus und ein und erweiterten namhast den Umkreis des Kunstsinnes bei den Anwohnern
des Biittclmeeres. Selbst erfahren in einzelnen Zweigen des Kunsthandwerkes, z. B. in der
Metallarbeit, vcrschafften sie der heimischen Kunstthätigkeit neue Absatzquellen; ebenso häufig
überbrachten sie die Werke älterer Kulturvölker, wie nameutlich des ägyptischen und des assyrischen,
in die dcm Verkehre neu gewonnenen Landschaften. So entstand überall, wo die Phönizier
verkehrten, ein Mischstil, der das Jnieresse des Ethnographen in höherem Grade fessclt, als das
des Kunsthistorikers, da ihm die Fruchtbarkeit abgeht. Wir machen die Beobachtung, daß assyrische
Knnstmotive, z. B. Tierkämpfe, Jagden, gern in ägyptische Fornien gehüllt wcrden, wie z. B. auf