Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Nachleben der Antike.

233

sich, die sie bereits erklommen hat, sie will und kann aber nicht als bloßer Uebergang gelten.
Mit vollem Rechte wird daher der abgeschlossene Charakter der Antike betont und ihr Wesen
erst dann begriffen, wenn man sie im ausschließlichen Dienste des Hellenen- und Nömertums,
als die Verklärung und Verherrlichung des hellenischen und römischen Volksgeistes auffaßt.
Dennoch erscheint auch die andere Betrachtung, die die Spuren des Nachlebens der Antike im
folgenden Weltaltcr aufdeckt, besonders vom historischen Standpunkte fruchtbar. Was ist in dem
Kunstvermögen der späteren Perioden auf das antike Erbe zurückzuführen?

Fig. 359. Pvrta Nigra in Trier. Außenansicht.

Man muß zwischen den Kunstgattungen und den Zeiten unterscheiden und die bewußte
und unbewußte Art der Aneignung auseinander halten. Die antike Architektur darf sich des
reichsten und längsten Nachlebeus rühmen. Die organische Einheit des antiken Bauwerkes wurde
zwar bereits in den letzten Jahrhunderten des römischen Kaiserreiches zerstört, die Bauelemente
blieben aber lebendig und mit ihrer Hilfe wurde ein großer Teil der neuen Bauaufgaben im
Mittelalter und der folgenden Periode gelöst. Die Bausprache setzte sich seitdem vornehmlich
aus dem von der Antike überlieferten Baualphabete zusammen. Die Säule, der Pfeiler, die
mannigfachen Gesimse und Glieder werden verschicdentlich umgeformt, den Kern der Gestalt
holte man regelmäßig aus der antiken Ueberlieferung. Dieses gilt selbst von einzelnen Bau-
gliedern des gotischen Stiles, obschon diese sich sonst in schroffem Gegensatze zur klassischen
Architektur bewegt. Als fühlte aber die Phantasie Scham und Neue über diese Entfremdung

Springer, Kunstgeschichte. I. 30
 
Annotationen