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v. Das antike Kunsthaiidwerk.
von der Antike, folgte unmittelbar anf die Herrschaft der Gotik eine unwiderstehliche Reaktion
zu Gunsten der antiken Architektur im Zeitalter der sog. Renaissance, die sich am Schlusse des
18. Fahrhunderts wiederholte, nachdem einige Menschenalter lang abermals die antiken Jdeale
zurückgedrängt worden waren.
Auch im Kreise der zeichnenden Künste hat das Mittelalter die Spuren der Antike nicht
vollständig verwischt. Eine dunkle Ahnung von der Macht der antiken Kunst, die als Zauber
gefürchtet wurde, erhielt sich. Der Jnhalt antiker Kunstwerke wurde allerdings nicht mehr
verstanden; sie waren allmählich ganz abgeschliffen worden und wurden nur in dieser abge-
schliffenen Form wiedergegeben. Auf solche Art haben sich sogar einzelne altorientalische Motive
(der Baum zwischen zwei Löwen u. s. w.) erhalten. Es fesselte das Auge die lebendige Tar-
stellung, die aus eigenem Antrieb niemals gelang. Man kann sicher sein, wo in einer Landschaft
sich antike Monumente erhielten — und die römische Provinzialkunst verbreitete solche in die
weitesten Kreise —, reizten sie zur Nachahmung. Mochte auch der Volksglaube iu den Denk-
mälern der Römer vielfach Teufelswerke erblicken, die Formfreude fand imnier wieder an
ihnen neue Nahrung. Es waren in der Regel nicht große nwnumentale Werke, die der Phantasie
mittelalterlicher Künstler neue Anregungen znführten; Arbeiten der Kleinkunst, wie z. B. Gemmen,
Elfenbeinreliefs u. s. w., znfällig erhalten und betrachtet, boten die hüufigsten Muster. Schwerlich
machten sich die Steinmetzen des 11. und 12. Jahrhunderts, wenn sie antike Werke nachbildeten,
besondere Gedanken über ihre Bedeutung. Sie sahen nur Reiter, Kämpfer, Jäger u. s. w., und
wenn sie der Jnhalt reizte, wie bei Kentauren, Sirenen u. a., so deuteten sie ihn um. Jmmerhin
blieb auf diese Weise ein formaler Zusammenhang mit der Antike bestehen und wurde eine
Schulung des Anges erzielt. Stetig und nnunterbrochen erbten sich einzelne Eelvandmotive und
Elemente des Ornamentes fort. Sie verloren ihre Neinheit, ähnlich wie die Schrift des frühen
Mittelalters arg von der römischen absticht. Wie aber diese nicht neu erfunden wurde, sondern
trotz ihres Schnörkelwesens auf einen römischen Kern znrückgeführt werden muß, ebenso beruhen
die Gewandfalten, das Blatt- und Saunwrnament auf einer freilich nur dumpf geahnten antiken
Tradition.
Neben der naiven unbewußten Nachbildung der Antike stoßen wir aber auch in größeren
oder kleineren Zeitabständen auf eine bewußte Würdigung der Antike als höchsten Musters, so
in engeren Kreisen im 12. und 13. Jahrhundert, in umfassender Weise in der Renaissanceperiode.
Man darf behaupten, daß die ganze Kunst des späteren Weltalters im Banne der Antike steht.
Jhr Einftuß beschreibt Kurven, steigt und sinkt abwechselnd. Jmmer aber wenn die Phantasie
einer Auffrischung, die Kunst einer gründlichen Korrektur bedarf, kehrt sie zum Studium der
Antike zurück. Eine Kunst, für welche die Antike ein leeres Blatt darstellt, erscheint wenigstens
für Europa, soweit menschliche Voraussicht reicht, vollkommen undenkbar.
v. Das antike Kunsthaiidwerk.
von der Antike, folgte unmittelbar anf die Herrschaft der Gotik eine unwiderstehliche Reaktion
zu Gunsten der antiken Architektur im Zeitalter der sog. Renaissance, die sich am Schlusse des
18. Fahrhunderts wiederholte, nachdem einige Menschenalter lang abermals die antiken Jdeale
zurückgedrängt worden waren.
Auch im Kreise der zeichnenden Künste hat das Mittelalter die Spuren der Antike nicht
vollständig verwischt. Eine dunkle Ahnung von der Macht der antiken Kunst, die als Zauber
gefürchtet wurde, erhielt sich. Der Jnhalt antiker Kunstwerke wurde allerdings nicht mehr
verstanden; sie waren allmählich ganz abgeschliffen worden und wurden nur in dieser abge-
schliffenen Form wiedergegeben. Auf solche Art haben sich sogar einzelne altorientalische Motive
(der Baum zwischen zwei Löwen u. s. w.) erhalten. Es fesselte das Auge die lebendige Tar-
stellung, die aus eigenem Antrieb niemals gelang. Man kann sicher sein, wo in einer Landschaft
sich antike Monumente erhielten — und die römische Provinzialkunst verbreitete solche in die
weitesten Kreise —, reizten sie zur Nachahmung. Mochte auch der Volksglaube iu den Denk-
mälern der Römer vielfach Teufelswerke erblicken, die Formfreude fand imnier wieder an
ihnen neue Nahrung. Es waren in der Regel nicht große nwnumentale Werke, die der Phantasie
mittelalterlicher Künstler neue Anregungen znführten; Arbeiten der Kleinkunst, wie z. B. Gemmen,
Elfenbeinreliefs u. s. w., znfällig erhalten und betrachtet, boten die hüufigsten Muster. Schwerlich
machten sich die Steinmetzen des 11. und 12. Jahrhunderts, wenn sie antike Werke nachbildeten,
besondere Gedanken über ihre Bedeutung. Sie sahen nur Reiter, Kämpfer, Jäger u. s. w., und
wenn sie der Jnhalt reizte, wie bei Kentauren, Sirenen u. a., so deuteten sie ihn um. Jmmerhin
blieb auf diese Weise ein formaler Zusammenhang mit der Antike bestehen und wurde eine
Schulung des Anges erzielt. Stetig und nnunterbrochen erbten sich einzelne Eelvandmotive und
Elemente des Ornamentes fort. Sie verloren ihre Neinheit, ähnlich wie die Schrift des frühen
Mittelalters arg von der römischen absticht. Wie aber diese nicht neu erfunden wurde, sondern
trotz ihres Schnörkelwesens auf einen römischen Kern znrückgeführt werden muß, ebenso beruhen
die Gewandfalten, das Blatt- und Saunwrnament auf einer freilich nur dumpf geahnten antiken
Tradition.
Neben der naiven unbewußten Nachbildung der Antike stoßen wir aber auch in größeren
oder kleineren Zeitabständen auf eine bewußte Würdigung der Antike als höchsten Musters, so
in engeren Kreisen im 12. und 13. Jahrhundert, in umfassender Weise in der Renaissanceperiode.
Man darf behaupten, daß die ganze Kunst des späteren Weltalters im Banne der Antike steht.
Jhr Einftuß beschreibt Kurven, steigt und sinkt abwechselnd. Jmmer aber wenn die Phantasie
einer Auffrischung, die Kunst einer gründlichen Korrektur bedarf, kehrt sie zum Studium der
Antike zurück. Eine Kunst, für welche die Antike ein leeres Blatt darstellt, erscheint wenigstens
für Europa, soweit menschliche Voraussicht reicht, vollkommen undenkbar.