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Vorsitzender: Ich möchte Ihnen vorschlagen, meine Herren,
diesen Anträgen unserer Kommission beizustimmen. Ich stehe denselben
zwar mit etwas geteilten Gefühlen gegenüber, indem ich mir keine großen
Erfolge davon versprechen kann, beuge mich aber gern der besseren Einsicht
der Herren, welche bei uns und in Österreich-Ungarn diesen Dingen näher-
stehen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; die Anträge sind angenommen.
Ich bitte nunmehr Herrn Dr. Lindner, Geschäftsführer des Bundes Heimat-
schutz, das Wort zu nehmen zu seinem Vortrag über
Heimatsclmtzfragen in Ostpreußen.
Dr. Lindner-Berlin: Kgl. Hoheit! Meine Herren! Seit der
Wiederaufbau in Ostpreußen organisiert wurde, ist die Mitarbeit unseres
Deutschen Bundes Heimatschutz den dortigen Provinzialbehörden eine will-
kommene Hilfe geworden. Da Ihnen sicherlich der Werdegang der dortigen
Planungen bekannt ist, brauche ich wohl nur die wichtigsten Tatsachen
und Maßnahmen in Ihr Gedächtnis zurückzurufen.
Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses im preußischen Landtag
vom 24. Juni d. J. sind 24 Städte, beinahe 600 Dörfer, ungefähr 300 Güter
und über 30000 Gebäude zerstört. Aus über 100000 Haushaltungen ist
der Hausrat völlig vernichtet oder verschleppt. Allein für den Wiederauf-
bau der Gebäude werden etwa 300 Millionen Mark erforderlich sein.
Die durch den König eingesetzte Kriegshilfskommission für die Provinz
Ostpreußen, deren Vorsitzender der Oberpräsident, Exzellenz von Batocki,
ist, schuf in Königsberg ein Hauptbauberatungsamt mit Geheimrat Fischer
als Leiter. Diesem Hauptamt sind etwa 20 im Lande verteilte, fest besoldete
Bezirksarchitekten, die nicht aus den Beamtenkreisen, sondern aus dem
freien Architektenstand gewählt sind, unterstellt. Ihre Tätigkeit ist: Er-
mittlung des Tatbestandes der Zerstörung, Feststellung des Bauprogrammes
zur Wiederherstellung für alle einzelnen Bauten in Stadt und Land, Über-
wachung der Aufräumungsarbeiten, Prüfung des Bebauungsplanes und
Mitwirkung bei seiner Neuaufstellung (zu der auch Gutachter von Ruf
herangezogen werden — für Neidenburg z. B. Bodo Ebhardt, für Oi'tels-
burg Bruno Möhring). — Ferner gehört zu ihrer Arbeit Bauberatung bei
allen Neubauplänen, Entwürfen und Kostenanschlägen usw. Die Bezirks-
architekten sollen die Vertrauensmänner des Staates, die Berater der Kom-
munen und der wiederaufbauenden Privaten sein. Da die technischen und
künstlerischen Fähigkeiten der ansässigen Gewerksmeister äußerst gering
sind, da tüchtige Architekten spärlich vertreten sind und von Bauherren
wohl nur in verhältnismäßig wenigen Fällen hinzugezogen werden, sollen
unter der Obhut des einzelnen Bezirksarchitekten noch Teilbezirksstellen
eingerichtet werden. Deren Leiter arbeiten gegen einen bestimmten Prozent-
satz der Bausumme auf Wunsch des Bauherrn den Vorschlag des Bezirks-
architekten weiter aus.
Dem Hauptbauberatungsamt ist gleichzeitig eine Baustoff-Einkaufs-
genossenschaft unterstellt, die der ungesunden Spekulation stark Vorbeugen
kann und z. B. namentlich auch den Kampf gegen minderwertige Dach-
eindeckungsstoffe zu erleichtern vermag.
In verschiedenen Städten ist zur sanitären Besserung ungünstig ver-
bauter Baublocks, in einzelnen Dörfern zur Verbesserung der Verkehrs-
Vorsitzender: Ich möchte Ihnen vorschlagen, meine Herren,
diesen Anträgen unserer Kommission beizustimmen. Ich stehe denselben
zwar mit etwas geteilten Gefühlen gegenüber, indem ich mir keine großen
Erfolge davon versprechen kann, beuge mich aber gern der besseren Einsicht
der Herren, welche bei uns und in Österreich-Ungarn diesen Dingen näher-
stehen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; die Anträge sind angenommen.
Ich bitte nunmehr Herrn Dr. Lindner, Geschäftsführer des Bundes Heimat-
schutz, das Wort zu nehmen zu seinem Vortrag über
Heimatsclmtzfragen in Ostpreußen.
Dr. Lindner-Berlin: Kgl. Hoheit! Meine Herren! Seit der
Wiederaufbau in Ostpreußen organisiert wurde, ist die Mitarbeit unseres
Deutschen Bundes Heimatschutz den dortigen Provinzialbehörden eine will-
kommene Hilfe geworden. Da Ihnen sicherlich der Werdegang der dortigen
Planungen bekannt ist, brauche ich wohl nur die wichtigsten Tatsachen
und Maßnahmen in Ihr Gedächtnis zurückzurufen.
Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses im preußischen Landtag
vom 24. Juni d. J. sind 24 Städte, beinahe 600 Dörfer, ungefähr 300 Güter
und über 30000 Gebäude zerstört. Aus über 100000 Haushaltungen ist
der Hausrat völlig vernichtet oder verschleppt. Allein für den Wiederauf-
bau der Gebäude werden etwa 300 Millionen Mark erforderlich sein.
Die durch den König eingesetzte Kriegshilfskommission für die Provinz
Ostpreußen, deren Vorsitzender der Oberpräsident, Exzellenz von Batocki,
ist, schuf in Königsberg ein Hauptbauberatungsamt mit Geheimrat Fischer
als Leiter. Diesem Hauptamt sind etwa 20 im Lande verteilte, fest besoldete
Bezirksarchitekten, die nicht aus den Beamtenkreisen, sondern aus dem
freien Architektenstand gewählt sind, unterstellt. Ihre Tätigkeit ist: Er-
mittlung des Tatbestandes der Zerstörung, Feststellung des Bauprogrammes
zur Wiederherstellung für alle einzelnen Bauten in Stadt und Land, Über-
wachung der Aufräumungsarbeiten, Prüfung des Bebauungsplanes und
Mitwirkung bei seiner Neuaufstellung (zu der auch Gutachter von Ruf
herangezogen werden — für Neidenburg z. B. Bodo Ebhardt, für Oi'tels-
burg Bruno Möhring). — Ferner gehört zu ihrer Arbeit Bauberatung bei
allen Neubauplänen, Entwürfen und Kostenanschlägen usw. Die Bezirks-
architekten sollen die Vertrauensmänner des Staates, die Berater der Kom-
munen und der wiederaufbauenden Privaten sein. Da die technischen und
künstlerischen Fähigkeiten der ansässigen Gewerksmeister äußerst gering
sind, da tüchtige Architekten spärlich vertreten sind und von Bauherren
wohl nur in verhältnismäßig wenigen Fällen hinzugezogen werden, sollen
unter der Obhut des einzelnen Bezirksarchitekten noch Teilbezirksstellen
eingerichtet werden. Deren Leiter arbeiten gegen einen bestimmten Prozent-
satz der Bausumme auf Wunsch des Bauherrn den Vorschlag des Bezirks-
architekten weiter aus.
Dem Hauptbauberatungsamt ist gleichzeitig eine Baustoff-Einkaufs-
genossenschaft unterstellt, die der ungesunden Spekulation stark Vorbeugen
kann und z. B. namentlich auch den Kampf gegen minderwertige Dach-
eindeckungsstoffe zu erleichtern vermag.
In verschiedenen Städten ist zur sanitären Besserung ungünstig ver-
bauter Baublocks, in einzelnen Dörfern zur Verbesserung der Verkehrs-