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Technau, Werner
Exekias — Forschungen zur antiken Keramik, Heft 9: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.49900#0024
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des Exekias. Und doch ist in diesen und den anderen Werken des „Malers der Athena-Geburt“ etwas
von der Schicksalsbereitschaft der exekiasischen Gestalten. Auch die Reihe seiner Werke verliert sich
bald in dem typologisch festgelegten, anonymen Bilderschatz der Werkstatt und läßt sich manchmal in
den Motiven und der Malweise von den ssüchtiger bemalten Rückseiten der Amphoren des „Malers der
Viergespanne“ kaum noch unterscheiden.
Immer kehren die großen Themen der Götter- und Heldensage in derselben monumentalen Fassung
wieder. Maßgebende Vorbilder müssen allen diesen Wiederholungen zugrunde liegen. Soll man Vorlagen
in der Werkstatt des Exekias annehmen oder Werke der großen Malerei? Die Frage wird bedeutungslos,
wenn man gesehen hat, daß Exekias selbst der großen Malerei angehört. Seine Bilder gehen in ihrem inneren
Format und in der Monumentalität der Gestaltung über die handwerkliche Aufgabe bloßer Gefäßverzie-
rung weit hinaus, und in den Tontafeln mit Darstellungen aus einer Totenfeier, die einem Grabbau zu-
gehört haben, liegt ja der Rest eines Werkes vor, das im Sinne seiner Zeit „große Kunst“ gewesen ist.
Es liegt nahe, auch für die mythologischen Bilder der Werkstatt Tafelbilder 46 des Meisters vorauszusetzen.
Deshalb ist es vielleicht gar nicht so zufällig, daß es nur so wenig eigenhändige Vasenbilder von Exekias
gibt:, seine großen Schöpfungen sind nicht auf dem Handelswege nach Etrurien gekommen und dort in
den Felsgräbern unversehrt geblieben, sondern sind mit den Bauten der Frühzeit Athens zugrunde ge-
gangen oder können nur in solch jammervollem Zustande geborgen werden wie die Berliner Tontafeln.
Geschichtliche Größe hängt nicht am äußeren Format, sondern lebt von der geistigen Ursprünglichkeit
der einmaligen, unwiederholbaren menschlichen Leistung47.
Groß ist, was aus dem Ursprung geschaffen ist. Dabei bedeutet Ursprung zugleich das Ursprüngliche
und den geschichtlichen Beginn. Denn der Mensch ist geschichtlicher Mensch, und das Wesen seines
Daseins ist die Geschichtlichkeit48. Was macht denn die geschichtliche Größe des fünften Jahrhunderts
aus? Daß sich die Griechen dieses Jahrhunderts unter die Größe ihres abendländischen Anfangs und
Auftrags stellten. In der Begegnung mit dem Orient kehrten sie zu sich selbst zurück, zu ihrem ge-
schichtlichen und wesenhaften Ursprung. Die geschichtliche Größe dieses Jahrhunderts nennen wir
klassisch. Aber klassisch sind nicht nur die Werke des fünften Jahrhunderts, wenn sie es auch vor allem
sind, die diesen Titel verdienen, sondern klassisch sind jene Werke, in denen sich griechisches Wesen
ursprünglich zu erkennen gibt, in denen der Weltgrund in tragischer Schönheit aufbricht, sind alle großen
griechischen Werke.
Warum zählt Beazley das Werk des Kleophradesmalers zur großen Kunst? Weil er von ihm sagen
kann49: „Kraft dieser Mächtigkeit und des ihr gesellten Ernstes (aqtvoTTjc) nimmt er einerseits die frühe
46 Das Bild der Amphora Louvre F 53 (s. Anm. 32) „Herakles und Geryoneus“, ist von Buschor, FR. 3, 216 als „eine Art
Tafelbild“ bezeichnet worden. Und B. Schweitzer (Jahrbuch 44, 1929, 116) rühmt von Exekias und seinem Kreis: „sie haben die
materiale Bindung des Bildfeldes an das Gefäß gelöst und gelernt, in ihm einen realen Raumausschnitt zu sehen.“ Über große
Malerei dieser Zeit in Athen: W. Kraiker, Jahrbuch 44, 1929, 147.
47 Jacob Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen (Herausg. J. Oeri, Stuttgart 1918) 212: „Nicht eine Erklärung,
sondern nur eine weitere Umschreibung von Größe ergibt sich (von diesem Punkte aus) mit den Worten: Einzigkeit, Uner-
setzlichkeit.“
48 F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben 136f.: „also erst durch die Kraft, das Vergangene
zum Leben zu gebrauchen und aus dem Geschehenen wieder Geschichte zu machen, wird der Mensch zum Menschen.“ — Siehe
auch M. Heidegger, Sein und Zeit 382ff.
49 Der Kleophradesmaler 16.

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