Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
78

II. Thomasin von Zerclaere.

kannten oder verlorenen französischen Tristandichtungen^. Die An-
spielungen auf diesen glücklich-unglücklichsten Liebenden sind so zahl-
reich, daß man aus ihnen allein den Gang der Erzählung in den Grund-
zügen ersehen kann. Auch Arnaut Guillem de Marsan empfiehlt in
seinem Ensenhamen^", von Tristan zu lernen. So sprudelt in der
Troubadourdichtung eine reiche Quelle.
Hat Thomasin diese französischen Epen gekannt, hat er sie selbst
gelesen? Ich glaube: im allgemeinen nicht. Die große Hochflut fran-
zösischer Ritterdichtungen ergießt sich über Italien erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts^. Zunächst herrscht das Provenzalische,
die hohe Kunst der Troubadours. Diese Sänger nennen gern Helden
der Geschichte und Dichtung als leuchtende Vorbilder. Gern reihen
sie — wie Thomasin — ganze Ketten von Berühmtheiten aneinander,
um damit Eindruck zu machen. In einer gewissen bescheidenen Unbe-
scheidenheit beruft sich Arnaut Guillem de Marsan in seinem Ensen-
hamen auf bekannte und erfolgreiche Liebhaber, denen er sich anschließt.
Ähnlich zählt Aimeric von Peguilhan^ /rlixunckies, (mlnmiuL, Qvsn,
Iristan« auf. Das ist Mode, das ist unentbehrlich. Die Gestalten der
französischen Epen leben außerhalb der ursprünglichen Werke ihr eigenes
Leben. Man kennt sie, und man nennt sie, auch ohne die langen Dich-
tungen sich anzueignen.
Und noch eins: ist auch neben den Troubadours für Ritterepen
kein Platz, so doch unter ihnen. Zu den Erzählern karolingischer Stoffe
mag auch hie und da ein Stück höfischer Dichtung, eine Gestalt höfischer
Kreise herabgesunken sein, die sie ihrem Schatze einverleiben. Der Stoff
ist nicht an die bestimmte Form gebunden. Thomasin kennt die Typen,
nicht die Werke. Und in den Typen kann er sich sehr irren, so, wenn
er rät, au Zovuvo dem Leigrimos zu folgen, demselben, der bei den
Franzosen den Beinamen „der Zügellose" trägt. Thomasin nennt nur
Namen, erzählt selten etwas von den Trägern. Zu Artus gehört die
Tafelrunde, das hat er gehört, freilich auch das andere, daß er in ckar

Troubadours I, Berlin 1846,23; Bernhard von Bentadorn, hg. Appel. Halle 1915,
Nr. 44; Birch-Hirschfeld (Anm. 399) 41; Ehrismann (Anm. 390) II, II 1,
69 Anm. 1.
Voretzsch (Anm. 367) 289; Ehrismann (Anm. 390) II, II 1, 68.
'5" Karl Bart sch, Provenzalisches Lesebuch. Elberfeld 1855,132—139. Tristan:
134, 67.
E s. o. S. 60. Die Arbeit von 6iu8tzppe Ualsvasi, Na matoris poetieu cksi
eiolo bi Ltton« tu Italia, Bologna 1903, war mir nicht zugänglich.
C. A. F. Mahn, Werke (Anm. 448) II (1855) 168. Nickel (Anm.) 360 47.
 
Annotationen