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II. Thomasin vo>i Zerclaere.

Sind schon die mhd. höfischen Dichter""" mit der mittelalterlichen
Rhetorik vertraut, wieviel mehr gilt das von dem auf der Domschule
zu Cividale oder Aquileja ausgebildeten, unter Wolfger und lange Zeit
neben Buoncompagno wirkenden Thomasin von Zerclaere! Ranke
hat in seiner grundlegenden Arbeit über Sprache und Stil im Welschen
Gast""' mit Nachdruck auf das hingewiesen, was er als den „logisch-
wissenschaftlichen Stil" des Friaulers bezeichnet. Er macht auch bereits
für einzelne Erscheinungen (Vorliebe für lange Wortreihen, für Häu-
fungen jeder Art usw.) auf Vorbilder in der zeitgenössischen lateinischen
Literatur, nämlich bei Alanus ab Insults, aufmerksam""". Rankes Beob-
achtungen können noch dadurch ergänzt werden, daß man für die ein-
zelnen Eigenheiten von Thomasins Stil die entsprechenden Vorschriften
in den Lehrbüchern seiner Zeit aufzeigt.
Ein Matthäus von Vendöme, ein Galfred de Vino salvv, ein Ger-
vasius von Melkley, ein Eberhard haben aus den Lehren des Cicero
und Horaz eine ausführliche aro veroitioutoriu oder versitienncli auf-
gebaut""", in welcher Aufbau und Anlage, Schmuck und Fehler poetischer
Werke abgehaudelt werden. Thomasin ist in dieser Doktrin gründlich
zu Hause. Das beweisen nicht nur die stilistischen Figuren, die Formen
und Formeln, die zu ihr stimmen. Das beweist auch die Komposition
des Gesanitwerkes. Schon Cicero hatte gelehrt, die Natur des Redens
erfordere von selbst, daß man etwas vor dem eigentlichen Thema sage,
dieses auseinandersetze und endlich zum Schlüsse einen Epilog hinzu-
füge (äe orut. II 76, § 307). Die mittelalterlichen Theoretiker bauen
das weiter aus und unterscheiden zwei Möglichkeiten, ein Werk zu be-
ginnen: das piünoipinm naturale, das unmittelbar mit der Sache selbst
für Gottfried vgl. jetzt Stanislaw Sawicki, Gottfried von Straßburg und
die Poetik des Mittelalters (Germanische Studien 124), Berlin 1932, für Hartmann
s. Schönbach (Amn. 316), der freilich vor allem auf inhaltliche Dinge Wert legt.
Zur mittelalter!. Rhetorik s. a. Gustav Ehrisma nn, Studien über Rudolf von Ems.
Beitrage zur Gesch. d. Rhetorik und Ethik im Mittelalter (SB. der Heidelberger Ak.
d. Wiss. Phil.-hist. Kl. 1919. 8. Abh.), Heidelberg 1919 und die ebd. S. 23 Anm. 2
genannte Lit., dazu jetzt noch Wmonck §urul, üvs arts po^tiguos cku XII^ et ckn
Xllie sioolo (öibliotbeguo cks I'oenlo «los buntes ötuckos, käse. 238), karis 1924 und
die ebd. 104ff. abgedruckten Texte, ferner IValtor UrmNmrv Lsckxvieü, Mw stzcks
und voeubulur^ ok tke lutiu urts ok poetr^ ok tbo tvelktb und tbirteentb esutnries,
Zpevulum 3 (1928) 349ff.; Hennig Brinkmann, Zn Wesen und Form mittel-
alterlicher Dichtung, Halle 1928; Oiinrlos Zoars Ilulcl vin, Usckioval Rdstorio and
?ootie (to 1400). blerv Xorü 1928.
E (Anm. 241) vor allein S. 90ff. und 1I8ff.
°°° ebd. 124ff.
karul (Anm. 666) 99ff.; Ehrismann, Studien (Anm. 666) 21ff.
 
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