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8. Die neue Haltung.

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aubieten, dor dasselbe Thema behandelt. Bezeichnend ist nnr, daß
Thomasin eben in dieser, der Predigttradition mitten darin steht. Er
kommt von dem dafür üblichen Schema auch dann nicht los, wenn er
Wissen mitteilt. Er tut es nur, um das Gesagte dann gleich wie eine
Textstelle zu erörtern und auszudeuten. So spricht er etwa Vers 8899ff.
von den sieben freien Künsten, indem er zunächst (8915—8932) die
urtes selbst schildert, dann die Meister in jeder von ihnen nennt. Das
wäre der freilich etwas lange Text, dem nunmehr die moralische Aus-
deutung und Nutzanwendung folgen kann, erst allgemein (8959—8998),
dann im einzelnen (8999—9062). Das ist der Aufbau einer Predigt.
Ähnlich knüpft er im folgenden die Tugendlehre an ckivlnitas und püx-
ÄoL an. Vers 2277ff. etwa steht zu Beginn als „Text" eine Abhand-
lung über die vier Elemente (2277—2422).
Auch in diesen Fällen geht Thomasin nicht von einer theologischen
Autorität im engeren Sinne ans. Er schöpft aber jedesmal aus einem
— um mit Hugo von St. Viktor"^ zu sprechen oxusenlum roiich<mi
viri, das zwar nicht kanonisiert ist, aber doch vom katholischen Glauben
nicht abweicht und manches Nützliche lehrt. Die Stelle über die urtes
und über ckivmitus und pbvLÜL lehnt sich an Manus' ab Insults Anti-
claudian^, die über die vier Elemente an Wilhelms von Conches kbilo-
sopbin Uuiuii"^ au. Auch in diesen Abschnitten geht Thomasin also
von etwas autoritativ Gegebenem aus. Wie in dem ersten Beispiel
die päpstliche Bulle, so liefert hier das Werk eines Gelehrten den „Text",
der frei benutzt und dem Predigtzweck dienstbar gemacht wird.
Freilich ist der Welsche Gast als Ganzes weder eine Predigt, noch
eine Predigtsammlnng. Er gehört nicht zu derselben Gattung wie eine
solche, steht ihr aber denkbar nahe. Seit alters liegt ja der Schwerpunkt
der katholischen Predigt in der iimtruotio mornm, soll sie die Gläubigen
Tugend lehren, sie zum Rechttun ermahnen und sie bessern helfen. So
faßt schon Gregor, so auch Alarms ab Insults und Honorius von Autun
ihre Aufgabe, und Bernhard von Clairvaux kanu in einen, Briefe von
1146 ckoeere als gleichbedeutend mit prrmckivaro brauchen'^. Lehren
will auch Thomasin von Zerclaere. Darum schreibt er sein neues Werk,
das nach Stil nnd Wortschatz, nach der Wahl der rhetorischen Mittel,
Oiclsüv. IV 1, Migne 176, 778 6. Diese Stelle ist Albert (Anm. 706)
UI28ff.; bzw. III 97 entgangen. Textlose Predigten: Albert (Anm. 706) I170f.;
III 99f.; Stingeder (Anm. 704) 85; ferner das Verzeichnis bei Migne 221, 37f.
II 8 bis IV 2, Migne 210, 508ff., bzw. die vorhergehenden Abschnitte.
I 21 bis II 20, Migne 172, 48-64; s. Schönbach (Anm. 177) 42ff.
.iatiö, öibliotchsea rsrum Aermanivnrum III. Berlin 1866, 399. Dazu
auch Albert (Anm. 706) III 85.
 
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