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11. Thvnmsin von Zerclaere.

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Standespoesie ist der Welsche Gast also nur in dein Sinne, daß er
sich vor allen: an einen bestimmten Stand wendet, an den der Ritter
und Herren. Um aber zu diesem Stande sprechen und uni von ihm
verstanden werden zu können, wählt er die vielen Bilder aus dem adeli-
gen Leben wie Jagd und Vogelfang, wie Turnier und Kampf, wie
Burgbau uud Hausanlage, wie Schachzabel und Saitenspiel. Sie sollen
ebenso wie die gelegentlichen Beobachtungen aus dem bäuerlichen Tage-
werk, aus Ackerbau und Viehzucht, wie die Erinnerungen an gemeinsam
verfolgte politische Ereignisse oder allen bekannte geschichtliche Tat-
sachen dazu dienen, schwer zn Sagendes den Hörern eingängig und
verständlich zu machen. Getreu der Lehre des Manus: minorilnm äeoet
in parnbolis logui zieht der Prediger Thomasin Beispiele und Gleich-
nisse aus der Umwelt heran, nm daran Mahnungen zu knüpfen, oder
um mit Hilfe eines dem Hörer vertranten Bildes ihm einen logischen
Schluß zu erleichtern. Darin folgt er einem seit der Väterzeit bei den
Geistlichen und Gelehrten des Mittelalters üblichen Braucht. Er macht
die „Welt" sich und seinem Zwecke dienstbar, nicht aber sich der Welt.
Das erste Buch des Welschen Gastes als Beweis für seine Ansicht
anzuführen, hat Schönbach nicht versucht. Es wäre auch ein schlechter
Kronzeuge, da es ja weitgehend aus dem Rahmen des Gesamtwertes
herausfällt und zumindest in der vorliegenden Form dem ursprüng-
lichen Plan kaum angehört haben dürfte. Zudem ist es ja selbst keines-
wegs einheitlich. Immer wieder zerreißen völlig andere, eben nicht
weltfreudig-höfische Gedankenreihen den Zusammenhang der Anstands-
nnd Minneregeln. Schönbachs Behauptung erwächst vielmehr aus
einer einseitigen Auswahl und Bevorzugung bestimmter Quellen des
Welschen Gastes. Unzweifelhaft war es ein Verdienst des im lateinischen
geistlichen Schrifttum des Mittelalters wie kaum ein zweiter Germanist
belesenen Gelehrten, daß er über Rückerts nicht immer ganz einwand-
freie Anmerkungen hinaus mit Sicherheit feststellen konnte, welche
Werke des 12. Jahrhunderts Thomasin gewiß benutzt hat. Doch hat
er darüber manches andere, vielleicht nicht minder Wichtige, zu gering
veranschlagt oder gar ganz übersehen. Die von Schönbach vor allem
herausgehobenen Vorlagen gehören fast durchweg der Schule von
Chartres an oder stehen ihr doch nahe^l Die Arbeiten dieser Schule
bewegen sich freilich weniger auf dem eigensten Gebiete der Theologie
als vielmehr auf dem der Philosophie und Naturphilosophie, so daß
Manitius^ö sie mit gewissem Recht in seinem großen Buche in den
"b Schmeidler, a. a. O. (Anm. 766) 32.
"ö a. a. O. (Anm. 332) NI 21Sff.; 2Z3ff.; 794ft.

s. o. Anm. 741
 
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