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Thomae, Walter
Das Proportionenwesen in der Geschichte der gotischen Baukunst und die Frage der Triangulation — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Band 13: Heidelberg: Verlag von Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.65298#0016
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2

Theoretisch-methodische Einleitung.

auch ihre Wirkung ist sekundär. Im allgemeinen entspricht diese Geschlossen-
heit des Eindrucks der Weltanschauung der Griechen, bei denen auch tran-
szendente Vorstellungen immer erdgebunden bleiben. So sitzt auch der Gott
sichtbar im Inneren als dessen Bewohner. Vieser griechische Geist hat, nach
einer Unterbrechung durch die Römer, in Lgzanz trotz Lhristentum, Raum-
entwicklung und Gewölbe seine Fortsetzung gefunden und klingt im romanischen
Baustil des kl. Jahrhunderts noch deutlich nach.
Wenn man versucht die gemeinsamen Stilprinzipien dieser Perioden auf
einfache geometrische Grundfiguren zurückzuführen, so erkennt man als solche
das rechtwinklige Prisma und an der Oberfläche und in den (Querschnitten das
Rechteck aus Senkrechten und Waagrechten. Oie Herrschaft dieser Figuren könnte
man als Rektagonismus bezeichnen. Vas Prisma erweist sich überall als ein
variabler Tppus, er kommt wo dies angängig ist, dem Würfel nahe, bzw. das
Rechteck dem Ouadrat. hie und da kommen Würfel und Ouadrat als strengste
formen vor, aber sie sind nicht herrschend. Andere mathematische Verhältnisse,
wie l : 2, 3: 4, l : 8 usw. kommen als Matze für Kensterlaibungen, Saalräume
und Säulen erst in der Renaissance vor, wo sie nicht dem naiven Schaffen,
sondern einer Schultheorie entstammen, z. B. bei palladio.
Rlsvachabschlutz ist das stumpfwinklige Dreieck üblich, ebenfalls ein variabler
Tgpus,- es bewegt sich zwischen dem niedrigen Tempeldach der Griechen und
dem etwa rechtwinkligen der Romanik, ebenfalls ohne irgendwelche gesetz-
lichen Höhenverhältnisse, nur datz man sich in den genannten Grenzen hält.
Wo der Vogen hinzugetreten ist, liebt man einen Rreisbogen, wieder variabel

zwischen der geraden Linie der Griechen und dem halbkreis-
/ bogen, der in der Romanik vorkommt, aber keineswegs herrscht -
X / vielmehr ist eine gedrückte Form am verbreitetsten, ohne datz
X man an ihr ein Verhältnis, geschweige ein wiederkehrendes
erkennen könnte. Ruch in romanischer Zeit kommt der Ge-
samtumritz der Bauform auf das liegende Prisma hinaus,
selbst die Glockentürme zerfallen in würfelartige Prismen.
Dieses ursprünglich griechische Stilprinzip der inneren
/ Geschlossenheit macht bereits im Altertum, und zwar im
/ Runstkreise der Römer, eine allmähliche Umwandlung durch,
' ' die nach einem Rückschlag in der Bpzantinisch-Romanischen
Epoche, schließlich zur Gotik führt. Ruch der gotische Lau
/ X (Rbb. 2) besteht aus Stützen und Deckung, aber die Ruflager-
flächen der Deckung, jetzt der Gewölbe, sind keine scharfen
Grenzen mehr, das Verhältnis von Rraft und Last verschiebt
sich einseitig, und so überhaupt das Verhältnis zwischen
Stoff und Beanspruchung. Oie Rraft scheint zu überwie-
gen- das steil aufgerichtete Gewölbe macht keinen lasten-
den Eindruck. Der Überschuß an Rraft, der hier gleichsam
—-— in den Raum ausstrahlt, würde im Rüge der Griechen
übb.2.GotischesSchema. eine Gleichgewichtsstörung gewesen sein. Rber der christ-
liche Mensch spürt jenseits der Grenzen der Bau-
 
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