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Thomae, Walter
Das Proportionenwesen in der Geschichte der gotischen Baukunst und die Frage der Triangulation — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Band 13: Heidelberg: Verlag von Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.65298#0051
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Vie Messungen usw. — Kritik der modernen Theorien Z'/

in Amiens aber sind die Zochtiefen nicht verkürzt, sondern vergrößert, aber
ungleich, alles Suchen nach einem Prinzip ist nutzlos. Weitere Triangulations-
methoden sind aus Lesariano nicht zu entnehmen und somit sind wir schon zu
Ende und haben in den Denkmälern Entscheidendes nicht gesunden.
Untersuchung der Dächer. Oie allgemeine

Beobachtung hat uns gezeigt, daß auch die Dä-
cher seit romanischer Zeit steiler geworden sind,
daß man am gotischen Dach die Spitzwinkligkeit
als Eigentümlichkeit ansehen mutz. Ein versuch,
die Vachneigung in die Triangulation einzubezie-
hen, ist in unseren meist italienischen (Quellen nir-
gends gemacht, da man in Italien zwar das Ge-
bäude gotisch haben wollte, das Dach aber nicht
für wesentlich hielt, es behielt seinen südlich stump-
fen Charakter. Uber auch die nordischen Quellen
sprechen nicht davon,- sie konstruieren nur Wim-


perge und die „Riesen" der Fialen, diese steil dach- ^bk. 24. Lhartre? Grundriß im auszug.

artig, aber keine Holzdächer. Oie Hochschiffdächer
wenigstens versuchsweise in unsere Messungen einzubeziehen, ist aber nicht zu
umgehen,- die Konstruktionsfreiheit ist am Dach sehr grotz, und wenn das
gleichseitige Dreieck wirklich Stilprinzip wäre, so könnte man es hier erwarten.
Zn der älteren vorgotischen Periode ist das Dach auch im Norden noch zu-
weilen stumpfer als ein rechter Winkel, so in Limburg (Hardt), Mainz, Laach.
Ein rechtwinkliges Dach glaube ich in Limburg (Lahn) zu erkennen. Steiler,
bis zum gleichseitigen Dreieck, ist das Dach aufgerichtet in Speier, Bamberg,
Wilsnack, heiligenkreuz, Konstanz, Ulm, hall. Das gleichseitige Dreieck zeigt
Ndtre Dame, Marburg- endlich ein noch höheres Rheims, Köln, Wien, Magde-
burg, Lolin w a. Es ist interessant zu sehen, datz die Frauenkirche in Nürnberg
über dem Schiff ein Dach hat, das unter dem gleichseitigen Dreieck bleibt, über
dem Ehor aber ein höheres. Zn Italien überwiegen niedrige Dächer, so in Pisa,
Verona, Mailand, Assisi; aber auch in Frankreich sind sie häufig, so in Carcas-
sonne, Tournus, Toulouse, Arles, Eu, sowie in England. Das Ergebnis ist ein-
mal, datz von Triangulation nichts zu bemerken ist, dann aber, datz überhaupt
kein Prinzip zu erkennen ist. Es wird kaum Zweck haben, nach Spuren einer
Ouadratur zu suchen. Für den Leser wird es genügen, wenn er in Ostendorfs
Geschichte des Dachwerks die zahlreichen Beispiele von Dachstühlen mit Hilfe
dreieckiger Papierschablonen auf ihren Spitzenwinkel prüft. Das mittelalter-
liche Dach hat nach Ostendorf das römische und das germanische Hausdach zu
vorfahren, das römische ist flach, das germanische steiler, macht aber selbst im
allgemeinen eine Steigerung durch, welche in gotischer Zeit ihr Höchstmatz
erreicht.

Kritik der modernen Theorieen.
Zm Laufe des l9. Zahrhunderts hat sich eine der älteren ähnliche, aber
nicht ganz gleiche Literatur herausgebildet, welche halb historisch-kritisch, halb
 
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